Melodie der Leidenschaft
Nähe zwischen ihnen hatte sie sich nicht eingebildet! Sie waren jetzt nicht nur ein Liebespaar, sondern auch Freunde. Und gestern Abend hatte Nicolaj gezeigt, wie sehr er ihr vertraute.
Ella ging nach draußen auf die Terrasse, wo Nicolaj am Frühstückstisch saß. Ich muss ihn dazu bringen, mehr über Irina und Klara zu reden, dachte sie. Er hatte seinen Schmerz viel zu lange für sich behalten. Sie wollte ihm dabei helfen, seine Vergangenheit zu bewältigen.
„Guten Morgen, mein Engel.“ Nicolaj lächelte gelassen, als hätte das aufwühlende Gespräch vom Vorabend niemals stattgefunden. „Hast du gut geschlafen?“
„Ich … ja, danke“, antwortete Ella verwirrt. Sie setzte sich, schenkte sich Orangensaft ein und suchte nach den richtigen Worten. „Es war bestimmt sehr schwer für dich, mir von deiner Frau und deiner kleinen Tochter zu erzählen. Ich … ich wollte dir nur sagen, dass ich dir jederzeit zuhöre, wenn du möchtest.“
„Soll das heißen, du bietest mir an, meine Therapeutin zu spielen?“, fragte Nicolaj.
Sein spöttischer Ton versetzte Ella einen Stich. Verzweifelt versuchte sie in seinem Gesicht zu lesen, doch er trug eine Sonnenbrille. „Ich biete dir meine Hilfe an“, erwiderte sie leise. „Du hast deine Trauer um Irina und Klara viel zu lange in dich hineingefressen.“
Starr betrachtete Nicolaj Ellas wunderschönes Gesicht und ihr goldblondes, seidiges Haar. Er hatte sich noch nie einem Menschen so nahe gefühlt wie dieser Frau, und doch hatte er den Impuls, die Gefühle zu unterdrücken, die sie in ihm weckte. Nicolaj fürchtete sich vor niemandem, aber Gefühle machten ihm furchtbare Angst. Hätte er Ella doch bloß nicht von seiner Vergangenheit erzählt! Nun fühlte er sich verletzlich und ausgeliefert. Ihr mitleidiger Blick gab ihm das Gefühl, wieder der kleine Junge zu sein, der jeden Abend betete, seine Mutter möge zurückkommen.
„Ich brauche deine Hilfe nicht“, sagte er schroff. „Ich könnte noch so viel von der Vergangenheit erzählen – das macht Irina und Klara auch nicht wieder lebendig. Du bist meine Geliebte , Ella. Ich will Sex mit dir haben, weiter nichts.“
Seine unbarmherzigen Worte trafen Ella wie ein Schlag ins Gesicht. Heftig blinzelnd versuchte sie, ihre Tränen zurückzuhalten. Zu Beginn ihrer Affäre mit Nicolaj war sie überzeugt gewesen, keine Gefühle für ihn zu entwickeln. Doch stattdessen hatte sie sich wie ihre Mutter in einen Mann verliebt, der ihre Empfindungen nicht erwiderte. Anders als ihr Vater war Nicolaj zwar durchaus zu Gefühlen fähig, doch sein Herz gehörte seiner verstorbenen Frau.
Tiefe Hoffnungslosigkeit erfasste Ella. Als ihr plötzlich übel wurde, sprang sie auf. Schon seit einigen Tagen war ihr unwohl, und sie hatte keinen Appetit – die klassischen Vorzeichen einer Migräne. Damit Nicolaj auf keinen Fall merkte, wie sehr er sie verletzt hatte, versuchte sie tapfer zu lächeln. „Danke, dass du noch einmal klargestellt hast, was für eine Rolle ich in deinem Leben spiele. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss meine Tabletten nehmen“, sagte sie und eilte ins Haus.
Als Nicolaj eine Stunde später ins Schlafzimmer kam, saß Ella auf dem Balkon, in ein Buch vertieft. Als er ihr blasses Gesicht aufmerksam ansah, war sie froh, dass eine Sonnenbrille ihre geröteten Augen verbarg.
„Ich muss zu einem dringenden Geschäftstermin nach Prag“, sagte er. „Ich dachte mir, wir können dort ein paar Tage Touristen spielen. Warst du schon einmal in Prag?“
„Ja, bei einem Auftritt. Aber ich hatte keine Zeit, mir die Stadt anzusehen“, erwiderte Ella zögernd. Sie war verzweifelt und tief unglücklich, denn Nicolaj war die Liebe ihres Lebens, doch sein Herz gehörte Irina. Ihr war von Anfang an klar gewesen, dass die Affäre irgendwann enden musste. Doch sie hatte nicht damit gerechnet, dass es ihr schier das Herz zerreißen würde.
Sie nahm all ihre Kraft zusammen und behauptete: „Ich muss zurück nach London. Marcus rief gestern Abend an, als du gerade geduscht hast. Die Proben für die Soundtrackaufnahmen wurden vorverlegt.“
Misstrauisch betrachtete Nicolaj die roten Flecken, die auf ihrem aschfahlen Gesicht erschienen. Ella wirkte schon seit ein paar Tagen krank. Er fand, sie solle zum Arzt gehen.
„Ich werde mit dir zum Flughafen fahren.“ Leise fügte sie hinzu: „Übrigens habe ich mit Onkel Rex gesprochen. Er hat ein Apartment gefunden, das groß genug für den Flügel ist. Ich werde gleich
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