Melodie der Leidenschaft
kaufte vermutlich all seinen Geliebten Diamanten. Ella musste an den schmalen Blumenkranz denken, den er ihr am Vortag geflochten hatte, als sie im Schatten der Olivenbäume gelegen hatten – und der nun in ihrer Nachttischschublade lag. Er bedeutete ihr so viel mehr als dieser unbezahlbare Schmuck, der sich zentnerschwer an ihrem Hals anfühlte.
Sie fuhren die zwanzig Meilen von Antibes nach Monaco in das berühmte Grand Casino, wo sie sich mit den Tarasows trafen.
„Ist es nicht toll hier?“, fragte Lena Tarasow, als sie nach dem Essen in dem exklusiven Restaurant zu zweit durch die opulenten Säle streiften, wo die riesigen Kristalllüster die Diamanten und Edelsteine der weiblichen Gäste funkeln ließen.
„Monte Carlo hat wirklich nichts mit dem Moskauer Elendsviertel zu tun, in dem Sergej, Nicolaj und ich aufgewachsen sind.“
Ella sah die bildhübsche dunkelhaarige Russin an. „Kannten Sie Nicolaj schon als Kind?“
„Nein. Er und Sergej wurden in der Armee beste Freunde, und Nicolaj war Trauzeuge bei unserer Hochzeit. Als Sergejs Elektronikunternehmen vor ein paar Jahren schließen musste, hat Nicolaj ihm den Posten des Geschäftsführers der russischen Unternehmenszentrale angeboten“, erzählte Lena lächelnd. „Nicolaj ist ein sehr guter Mensch und ein treuer Freund. Sicher war er auch froh, dass er diese Aufgabe jemandem übergeben konnte, dem er vertraute, damit er selbst nach Europa gehen konnte. Er verbindet so viel Schmerzliches mit Russland.“
Ella musste an Nicolajs Schilderung seiner unglücklichen Kindheit denken. „Ja, er hat mir von seiner Familie erzählt.“
„Ja? Sonst spricht Nicolaj doch nur mit seinen engsten Freunden über seine Frau und seine Tochter.“ Lena lächelte freundlich und schien Ellas Bestürzung nicht zu bemerken. „Es war furchtbar für ihn, die beiden zu verlieren. Ich glaube, darüber ist er nie ganz hinweggekommen. Er sagt immer, er wolle sich nie wieder verlieben. Aber … Sie sind ja auch ganz anders als seine anderen Frauen. Vielleicht finden Sie den Schlüssel zu Nicolajs Herz und zaubern das Lächeln in seine Augen zurück?“
Sie waren im Salon angekommen, wo die beiden Männer schon am Roulettetisch saßen. Der Raum war heiß und voller Menschen. Ella versuchte, Lena durch die Menge zu folgen, um ihr Fragen zu stellen. Sie konnte nicht fassen, dass der bindungsscheue Casanova Nicolaj einmal eine Frau und ein Kind gehabt hatte!
In all der Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, hatte er nie auch nur ein Wort darüber verloren. Ich bin ja auch nur seine Geliebte, dachte sie voller Schmerz. Und sie hatte offenbar nicht den Schlüssel zu seinem Herzen gefunden.
10. KAPITEL
„Du bist heute Abend so still. Was ist denn los?“, fragte Nicolaj auf der Rückfahrt.
Ella betrachtete seine attraktiven, markanten Züge und verspürte einen Stich im Herzen. „Ich habe Kopfschmerzen und werde nachher meine Migränetabletten nehmen.“
Sie blickte aus dem Fenster und wunderte sich über die tiefe Verzweiflung, die sie niederdrückte. Es war doch egal, dass Nicolaj verheiratet gewesen war und ein Kind gehabt hatte. Was ging seine Vergangenheit sie schon an? Doch während der Wochen in Antibes hatte Ella sich Nicolaj näher gefühlt als jedem anderen Menschen – und zu hoffen gewagt, dies sei der Anfang von etwas Tieferem als einer oberflächlichen Affäre.
„Ich muss in den USA anrufen“, sagte Nicolaj, als sie die Villa betraten. „Geh am besten gleich ins Bett, du siehst ganz erschöpft aus.“ Mit diesen Worten zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück.
Im Schlafzimmer legte Ella sofort die Kette ab. Es war, als wäre der Schmuck ein unübersehbares Symbol dafür, dass sie Nicolajs Geliebte war. Als ihr einfiel, dass er das Schmuckkästchen in seine Nachttischschublade gelegt hatte, zog sie diese auf und ließ die Kette vorsichtig hineingleiten. Da sah sie plötzlich in der Schublade eine alte zerlumpte Puppe, die schon mehrfach repariert worden war. Vorsichtig nahm Ella sie heraus. Neben der Puppe lagen zwei Fotos. Auf einem war eine Frau mit dichtem braunem Haar, die ein Baby in den Armen hielt, auf dem anderen ein blond gelocktes Mädchen von vier oder fünf Jahren, das übermütig lächelte.
Das müssen Nicolajs Frau und seine Tochter sein, dachte Ella aufgeregt. Die Fotos waren zerknickt, als hätte jemand sie sehr oft in der Hand gehalten.
Als plötzlich Schritte zu hören waren und Nicolaj neben ihr stand, ließ sie die Bilder auf
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