Melodie der Liebe
schon an. Ich hatte seit Monaten keine Note mehr geschrieben. Angela brachte Freddie zur Welt und übergab sie sofort Vera, wie ein lästiges Kätzchen. Aber ich war auch nicht viel besser.“
Sie griff nach seinem Handgelenk. „Ich weiß, wie sehr du Freddie liebst.“
„Jetzt. Als du mir damals auf den Stufen vordem College sagtest, ich hätte Freddie nicht verdient, hat mir das sehr wehgetan. Weil du Recht hattest.“ Er sah, wie Natasha den Kopf schüttelte, ging aber nicht darauf ein. „Dauernd begleitete ich Angela ins Ballett oder Theater. Ich hörte ganz auf zu arbeiten. Um Freddie kümmerte ich mich überhaupt nicht. Nie habe ich sie gebadet oder gefüttert oder ins Bett gebracht. Manchmal hörte ich sie im Nebenzimmer weinen und fragte mich, was das für ein Geräusch ist. Dann fiel mir ein, dass ich ja eine Tochter hatte.“
Er nahm die Flasche und füllte sein Glas auf. „Irgendwann wurde mir klar, dass ich keine Ehe, keine Frau, keine Musik mehr hatte. Aber dafür hatte ich ein Kind, für das ich verantwortlich war. Ich beschloss, mich dieser Verantwortung zu stellen. Das ist alles, was Freddie zunächst für mich war. Eine Verpflichtung. Doch dann habe ich mir dieses wunderschöne kleine Kind genauer angesehen, und da wusste ich plötzlich, wie sehr ich mein Baby liebte.“ Er hob das Glas, trank und schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf. „Ich hob Freddie aus der Wiege und hielt sie in den Armen. Ich hatte eine Höllenangst, etwas falsch zu machen. Und was tat meine Tochter? Sie schrie so lange, bis Vera kam und sie tröstete.“
Er lachte bitter und starrte auf seinen Champagner. „Es dauerte Monate, bis sie sich in meiner Nähe einigermaßen wohl fühlte. Damals hatte ichAngela schon um die Scheidung gebeten. Sie akzeptierte ohne mit der Wimper zu zucken. Als ich sagte, dass ich das Kind behalten würde, wünschte sie mir viel Glück und ging. In all den Monaten, in denen unsere Anwälte sich um die finanzielle Seite stritten, ist sie nicht ein einziges Mal gekommen, um nach Freddie zu sehen.“
Erst nach einer Weile sprach er weiter. „Dann hörte ich, dass sie ums Leben gekommen war. Bei einem Bootsunfall im Mittelmeer. Manchmal habe ich Angst, dass Freddie sich daran erinnert, wie ihre Mutter war. Und was noch schlimmer ist, ich hoffe, sie hat vergessen, wie ihr Vater damals war.“
Natasha dachte daran, was Freddie über ihre Mutter gesagt hatte. Damals, auf dem Schaukelstuhl. Sie stellte das Glas ab und nahm sein Gesicht in beide Hände. „Kinder verzeihen“, erklärte sie. „Wenn man geliebt wird, verzeiht man leichter. Sich selbst zu verzeihen ist viel, viel schwerer. Aber du musst es tun.“
„Ich glaube, so langsam fange ich damit an, auch wenn es schwer ist.“
Sie nahm ihm sein Glas ab und stellte es neben ihres. „Lass mich dich lieben“, sagte sie einfach und umarmte ihn.
Diesmal waren ihre Zärtlichkeiten nicht so wild und ungestüm. Sie waren sich einander sicherer als zuvor und kosteten ihre Leidenschaft geradezu genießerisch aus.
Es war eine Verführung, die Spence mit ihr anstellte. Sie hatte ihn nicht darum gebeten, sie nicht gewollt. Aber jetzt ließ sie es sich nur zu gern gefallen. Sein Mund glitt über ihre Haut. Seine Hände spielten mit ihrem Körper wie mit einem Instrument. Und ihr Körper war so fein gestimmt, dass jede Berührung die erwartete Reaktion hervorbrachte.
Fast glaubte sie, Musik zu hören. Symphonien, Kantaten, Préluden. Die Musik schwoll an, ging wieder in ruhigere Takte über. Immer wieder dirigierte er ihren Körper bis dicht ans Finale, immer wieder zögerte er es hinaus.
Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und zog ihn auf sich. Ihre Arme schlangen sich um ihn. Ihr Atem strich ihm heiß und heftig über die Wange, bis er zu ihr kam und die Symphonie in ein gewaltiges Crescendo mündete, um noch lange nachzuhallen.
Als Natasha erwachte, stieg ihr der Duft von Kaffee und Seife in die Nase und sie spürte einen Mund an ihrem Hals.
„Wenn du jetzt nicht aufwachst“, murmelte Spence ihr ins Ohr, „bleibt mir nichts anderes übrig, als zurück zu dir ins Bett zu kriechen.“
„Tu’s doch“, erwiderte sie und schmiegte sich an ihn.
Spence starrte auf ihre Schultern, von denen dasLaken heruntergerutscht war. „Es ist verlockend, aber ich muss in einer Stunde zu Hause sein.“
„Warum?“ Mit geschlossenen Augen tastete sie nach ihm. „Es ist doch noch früh.“
„Es ist fast neun.“
„Neun Uhr? Morgens?“
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