Melodie der Liebe
Sie riss die Augen auf und schoss hoch. Er hatte die Kaffeetasse in sicherer Entfernung gehalten. „Ich schlafe nie so lange.“ Sie schob ihr Haar mit beiden Händen zurück und sah ihn an. „Du bist ja angezogen.“
„Leider“, stimmte er zu. „Freddie wird um zehn nach Hause kommen. Ich habe geduscht.“ Seine freie Hand spielte mit ihrem Haar. „Ich wollte dich wecken und fragen, ob du dich anschließt, aber du hast so fest geschlafen, dass ich es nicht übers Herz brachte.“ Er beugte sich vor, um an ihrer Unterlippe zu knabbern. „Ich habe dich noch nie im Schlaf beobachtet.“
Die Vorstellung behagte ihr nicht sehr. „Du hättest mich wecken sollen.“
„Ja.“ Mit der Andeutung eines Lächelns reichte er ihr den Kaffee. „Vorsicht, er schmeckt bestimmt grauenhaft. Ich habe noch nie welchen gekocht.“
Sie nahm einen winzigen Schluck und verzog das Gesicht. „Du hättest mich wirklich wecken sollen!“ Dann trank sie tapfer weiter. Schließlich hatte er ihn für sie gemacht und ans Bett gebracht. „Hast du noch Zeit fürs Frühstück? Ich mache diretwas.“ Sie stellte ihre Tasse ab. „Eier zum Beispiel. Und Kaffee.“
Zehn Minuten später stand sie in einem kurzen roten Bademantel am Herd und briet dünne Scheiben Schinken. Er sah ihr zu, und sie gefiel ihm, wie sie war. Mit zerzaustem Haar und noch ein wenig schläfrigen Augen. Zielstrebig wechselte sie zwischen Herd und Arbeitsplatte hin und her, ohne überflüssige Bewegungen oder Handgriffe. Wie eine Frau, zu deren Alltag ganz selbstverständlich auch die Hausarbeit gehörte.
Draußen fiel ein leichter Novemberregen vom zinnfarbenen Himmel. Aus der Wohnung oben drangen gedämpft Schritte durch die Decke, dann leise Musik. Jazz aus dem Radio des Nachbarn. Und das Geräusch des brutzelnden Fleischs, das Summen der Fußleistenheizung unter dem Fenster. Morgenmusik, dachte Spence.
„Daran könnte ich mich gewöhnen“, dachte er laut.
„An was denn?“ Natasha schob zwei Scheiben Brot in den Toaster.
„Daran, mit dir aufzuwachen und zu frühstücken.“
Ihre Hände zuckten kurz, als hätten ihre Gedanken plötzlich eine scharfe Kurve genommen. Dann setzte sie ihre Arbeit wieder fort, sorgfältig und ruhig. Und sie sagte kein Wort.
„Jetzt habe ich schon wieder das Falsche gesagt, stimmt’s?“
„Es ist weder richtig noch falsch.“ Sie brachte ihm eine Tasse Kaffee. Als sie sich wieder umdrehen wollte, ergriff er ihr Handgelenk.
„Du willst nicht, dass ich mich in dich verliebe, Natasha, aber keiner von uns kann das frei entscheiden.“
„Es gibt immer eine Entscheidung“, erwiderte sie nachdrücklich. „Manchmal ist es allerdings schwer, die richtige zu treffen, oder überhaupt zu wissen, welche die richtige ist.“
„Dann ist sie bereits gefallen. Ich habe mich in dich verliebt.“
Er sah, wie ihr Gesicht sich veränderte, sanfter, nachgiebiger wurde, sah in ihren Augen etwas Tiefes, im Schatten Liegendes und unglaublich Schönes. Dann war es wieder fort.
„Die Eier brennen an.“
Seine Hand ballte sich zur Faust, als Natasha zum Herd zurückging. Langsam streckte er die Finger wieder. „Ich sagte, ich liebe dich, und du machst dir Sorgen um angebrannte Eier.“
„Ich bin eine praktische Frau, Spence. Ich musste es immer sein.“
Es war anstrengend, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Sie richtete das Essen mit einer solchen Sorgfalt auf den Tellern an, als würde sie ein Staatsbankett veranstalten. Seine Worte klangenihr noch in den Ohren, während sie die Teller auf den Tisch stellte und ihm gegenüber Platz nahm.
„Wir kennen uns erst kurze Zeit.“
„Mir ist sie lang genug.“
Sie befeuchtete sich die Lippen. In seiner Stimme lag nicht Verärgerung, sondern verletzter Stolz. Und verletzen wollte sie ihn am allerwenigsten. „Es gibt Dinge, die du von mir nicht weißt. Dinge, über die zu reden ich noch nicht bereit bin.“
„Sie spielen keine Rolle.“
„Doch, das tun sie.“ Sie holte tief Luft. „Zwischen uns ist etwas. Es wäre lächerlich, das bestreiten zu wollen. Aber Liebe? Ich glaube, es gibt kein größeres Wort auf der Welt. Wenn wir es für uns in Anspruch nehmen, ändert sich alles.“
„Ja.“
„Das kann ich nicht zulassen. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass es keine Versprechungen, keine Pläne geben darf. Ich will mein Leben nicht grundlegend verändern.“
„Ist es, weil ich ein Kind habe?“
„Ja und nein.“ Zum ersten Mal sah er ihr an den Fingern an, dass sie
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