Melodie der Liebe
zu. „Wenn ich Natasha dazu gebracht habe, mich zu heiraten.“
Natasha sprang auf und ignorierte das Grinsen ihres Vaters. „Da euch der Wodka offenbar schon zu Kopf gestiegen ist, frage ich Mama lieber, ob sie noch etwas heiße Schokolade übrig hat.“
Yuri stemmte sich aus seinem Sessel und griff nach der Flasche. „Die Schokolade überlassen wir den Frauen.“
Als Natasha beim ersten Tageslicht erwachte, hatte sich Freddie im Schlaf an sie gekuschelt. Sie lagen im Bett ihrer Kindheit, in einem Zimmer, in dem Natasha und ihre Schwester unzählige Stunden zusammen gelacht und geredet und sich manchmal auch gestritten hatten. Die Tapeten waren dieselben. Verblichene Rosen. Es hatte etwas von Geborgenheit an sich, wenn man morgens die Augen aufschlug und dieselben Wände sah, obwohl man vom Kind zur Jugendlichen und schließlich zur erwachsenen Frau geworden war.
Natasha drehte den Kopf und sah zu ihrer Schwester hinüber, die zwischen zerwühlten Laken im Nachbarbett lag. Typisch, dachte sie. Rachel hatte noch im Schlaf mehr Energie als manche Menschen im wachen Zustand. Sie war am Abendzuvor kurz vor Mitternacht heimgekommen, hatte alle umarmt und geküsst, begeistert von dem Vortrag berichtet und eine wahre Flut neugieriger Fragen auf sie losgelassen.
Ohne Freddie zu wecken, gab Natasha ihr einen Kuss aufs Haar und stand leise auf. Sie duschte, zog sich an und ging nach unten.
Aus der Küche drang frischer Kaffeeduft in ihre Nase, und sie folgte ihm.
„Mama.“ Nadia stand an der Arbeitsplatte und rollte Pastetenteig aus. „Es ist doch viel zu früh zum Kochen.“
„An Thanksgiving ist es nie zu früh dazu.“ Sie hielt Natasha die Wange hin. „Möchtest du Kaffee?“
„Ich glaube nicht.“ Sie presste die Hand auf den Bauch. Schon beim Aufstehen war ihr so komisch gewesen. „Ich nehme an, bei dem Haufen zerknüllter Decken auf dem Sofa handelt es sich um Alex.“
„Er kommt immer sehr spät nach Hause.“ Nadia rümpfte missbilligend die Nase. Doch dann zuckte sie mit den Schultern. „Er ist kein kleiner Junge mehr.“
„Nein. Du musst dich damit abfinden, Mama. Du hast erwachsene Kinder. Und zwar welche, die du gut erzogen hast.“
„Nicht so gut, dass Alex endlich einmal lernt, seine Socken nicht immer auf dem Boden herumliegen zu lassen.“ Aber sie lächelte, denn insgeheim war sie froh, dass Alex ihr noch einige Mutterpflichten ließ. Wenn eines Tages alle Kinder aus dem Haus waren, war es damit ohnehin vorbei. Dieser Tag würde noch früh genug kommen. Nadia seufzte tief bei diesem Gedanken.
„Sind Papa und Spence noch lange aufgeblieben?“
„Papa redet gern mit deinem Freund. Er ist ein netter Mann.“ Nadia legte etwas Teig auf einen Pastetenteller und formte ihn zu einem Kreis, dann griff sie wieder zur Rolle. „Sieht sehr gut aus.“
„Ja“, stimmte Natasha vorsichtig zu.
„Er hat eine gute Arbeit, ist verantwortungsbewusst und liebt seine Tochter.“
„Ja“, wiederholte Natasha.
„Warum heiratest du ihn nicht, wenn er es will?“
Sie hatte gewusst, dass ihre Mutter diese Frage stellen würde. Mit einem unterdrückten Seufzer lehnte Natasha sich gegen den Küchentisch. „Es gibt eine Menge netter, verantwortungsbewusster und gut aussehender Männer, Mama. Soll ich die alle heiraten?“
„Von ihnen gibt es nicht so viele, wie du denkst.“ Lächelnd machte Nadia sich an die dritte Pastete. „Liebst du ihn nicht?“ Als Natasha nicht antwortete, wurde Nadias Lächeln breiter. „Ah.“
„Bitte, Mama. Spence und ich, wir kennen uns erst seit einigen Monaten. Es gibt vieles, was er von mir noch nicht weiß.“
„Dann erzähl es ihm.“
„Irgendwie kann ich das nicht.“
Nadia legte die Teigrolle hin und nahm das Gesicht ihrer Tochter zwischen die mehligen Hände. „Er ist nicht so wie der andere.“
„Nein, das ist er nicht. Aber …“
Nadia schüttelte den Kopf. „Etwas festzuhalten, das längst vorbei ist, macht im Inneren krank. Du hast ein gutes Herz, Tash. Vertraue dir selbst.“
„Das würde ich ja gern.“ Sie legte die Arme um ihre Mutter. „Ich liebe ihn, Mama. Aber ich habe immer noch Angst, und es tut noch weh.“ Sie atmete tief durch und trat einen Schritt zurück. „Ich möchte mir Papas Wagen ausleihen.“
Nadia fragte nicht, wohin sie damit wollte. Das brauchte sie nicht. „Ja, sicher. Ich komme mit.“
Natasha küsste ihre Mutter auf die Wange und schüttelte stumm den Kopf.
Sie war schon eine Stunde fort, als Spence mit
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