Melodie der Liebe
sie wieder fallen. Spence bemerkte belustigt, dass seine Tochter Natashas gewohnheitsmäßige Geste beinahe perfekt nachahmte. „Nicht so viele“, erwiderte sie. „Kommst du mit hoch?“ Sie zog an Natashas Hand. „Gleich ist Santa Claus an der Reihe.“
„In ein paar Minuten.“ Natasha bückte sich fast automatisch, um Freddie den Schnürsenkel zuzubinden. „Sag Papa, dass ich Mama nichts von den Weingummis erzähle. Aber nur, wenn er mir welche übrig lässt.“
„Okay.“ Freddie tobte die Treppe hinauf.
„Er hat sie ziemlich beeindruckt“, sagte Spence.
„Papa beeindruckt jeden.“ Sie richtete sich wieder auf, und plötzlich schien der Raum sich um sie zu drehen. Bevor sie zu Boden sinken konnte, ergriff Spence ihre Arme.
„Was ist denn los?“
„Nichts.“ Sie presste eine Hand gegen die Schläfe und wartete darauf, dass der Schwindelanfall vorüberging. „Ich bin nur zu schnell aufgestanden, das ist alles.“
„Du siehst blass aus. Komm, setz dich.“ Er legte ihr den Arm fürsorglich um die Taille, aber sie schüttelte den Kopf.
„Nein, ich bin in Ordnung, wirklich. Nur etwas müde.“ Erleichtert, dass der Raum jetzt wiederstillstand, lächelte sie ihm zu. „Schuld hat Rachel. Sie hätte die ganze Nacht hindurch geredet, wenn ich nicht aus Gründen der Selbstverteidigung eingeschlafen wäre.“
„Hast du etwas gegessen?“
„Ich dachte, du bist Doktor der Musik.“ Sie tätschelte ihm die Wange. „Keine Sorge. Ich brauche nur die Küche zu betreten, und Mama fängt an, mich zu füttern.“
In diesem Moment ging die Haustür auf. Spence sah, wie ihr Gesicht aufleuchtete. „Mikhail!“ Lachend warf sie sich ihrem Bruder um den Hals.
Er hatte dieses südländische, atemberaubend gute Aussehen, das offenbar zum Familienerbe gehörte. Als größter Stanislaski musste er sich vorbeugen, um Natasha fest an sich zu drücken. Sein Haar ringelte sich in Locken um die Ohren und über den Kragen. Seine Hände strichen Natasha zärtlich übers Haar. Sie waren breit und wohl geformt.
Spence brauchte nur Sekunden, um es zu erkennen. Natasha liebte jeden in ihrer Familie, aber zwischen diesen beiden gab es ein besonderes Band.
„Ich habe dich vermisst.“ Sie küsste ihn auf beide Wangen und umarmte ihn erneut. „Ich habe dich wirklich vermisst.“
„Warum kommst du dann so selten?“ Sanft schob er sie von sich, um sie genauer anzusehen. Ihre Hände waren noch kalt, also war sie schon draußen gewesen. Und er wusste, wo sie den Morgen verbracht hatte. Er murmelte etwas auf Ukrainisch, doch sie schüttelte nur den Kopf. Mit einem Schulterzucken, das ihrem sehr ähnlich war, ließ er das Thema ruhen.
„Mikhail, das ist Spence.“
Während er den Mantel auszog, drehte Mikhail sich zu Spence um und musterte ihn.
Anders als Alex, der ihn sofort freundlich akzeptiert hatte, oder als Rachel, die ihn einer unauffälligen Prüfung unterzogen hatte, ließ Mikhail seinen Blick lange und intensiv auf Spence ruhen. Zweifellos würde er es sofort sagen, wenn der Freund seiner Schwester vor seinen Augen keine Gnade fand.
„Ich kenne Ihre Arbeit“, meinte er schließlich. „Sie ist exzellent.“
„Danke.“ Spence gab den kritischen Blick zurück. „Das kann ich von Ihrer auch behaupten.“ Mikhail hob eine dunkle Braue. „Ich habe die Figuren gesehen, die Sie für Natasha geschnitzt haben.“
„Ah.“ Die Andeutung eines Lächelns erschien auf dem ernsten Gesicht. „Meine Schwester liebt Märchen über alles.“ Von oben ertönte ein Quietschen und dann ein tiefes Gelächter.
„Das ist Freddie“, erklärte Natasha. „Spences Tochter. Papa ist ganz hingerissen von ihr.“
Mikhail hakte einen Daumen durch eine Gürtelschlaufe. „Sie sind Witwer.“
„Das ist richtig.“
„Und jetzt unterrichten Sie am College.“
„Ja.“
„Mikhail“, unterbrach Natasha, „spiel hier nicht den großen Bruder. Ich bin älter als du.“
„Aber ich bin größer.“ Mit einem raschen aufblitzenden Lächeln legte er ihr den Arm um die Schultern. „Also, was gibt’s zu essen?“
Viel zu viel, entschied Spence, als die Familie sich am späten Nachmittag um den Tisch versammelte. Der riesige Truthahn, der auf dem Tablett mitten auf der gehäkelten Decke stand, war nur der Anfang. Nadia nahm die Traditionen ihres neuen Heimatlandes ernst und hatte ein typisch amerikanisches Festtagsmahl zubereitet, vom Kastanien-Dressing bis zu den Kürbis-Pasteten.
Mit großen Augen starrte Freddie auf die
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