Melodie der Sehnsucht (German Edition)
verlangten, und vor allem, weil sie unweigerlich irgendwann barsten. Besonders Kämpfe wie dieser wurden außerordentlich häufig dadurch entschieden, dass einer der Kämpfer plötzlich nur noch das Heft seines Schwertes in der Hand hielt. In diesem Fall traf es Philippe. Der Ritter hatte einen Angriff François’ mit dem Schwert kraftvoll abgewehrt, wollte seinerseits zustoßen – und blickte fast ungläubig auf das nutzlose Stück Holz, das er in Händen hielt. François entwand es ihm mit einer raschen Bewegung. Philippe war besiegt.
»Eine Niederlage, für die sich niemand schämen muss«, bemerkte der Herzog, als die beiden Ritter, taumelnd vor Schwäche und schweißüberströmt, ihre Helme vor ihm abnahmen und grüßten. »Hier hat die Dame Fortuna entschieden, aber ich werde ihr ein Schnippchen schlagen und beide Ritter gleichermaßen reich belohnen.« Er lächelte, und unter normalen Umständen hätte er den Unterlegenen damit getröstet. Philippe blickte jedoch weiterhin verdrossen, beleidigt und hasserfüllt. Schließlich hatten die Herolde François eben eindeutig zum Sieger des Turniers erklärt.
Triumphierend verbeugte er sich vor den Damen.
Zu Sabines Verwunderung nickte Marquise de Valles ihm jedoch nur ernst zu, ohne irgendeine anerkennende Bemerkung von sich zu geben. Sie sandte vorerst auch keine Ehrenjungfrau aus, um den Sieger zu küssen, desgleichen fand sie keine Trostworte für Philippe.
Der Herzog blickte verwundert zu ihr hinüber.
»Nanu? Keine Ehrung aus holder Hand für den siegreichen Ritter?«, erkundigte er sich.
Madame de Valles erhob sich hoheitsvoll.
»Nein, Monsieur. Die Ehrungen des Minnehofs gelten nicht der Technik der Schwertführung, sondern der Tugend der Ritter. Und die Tugend dieses Herrn hier ist umstritten. Vielleicht dürfte er nicht einmal hier sein – wie Ihr wisst, trifft einen Ritter, der sich mit einem Tadel befleckt hat, der Ausschluss vom Turnier.«
François lachte. »Ah ja. So weit ich weiß, trifft das Kirchenräuber, Exkommunizierte, Seeräuber.«
»Und Frauenschänder«, sagte Madame de Valles kalt. »Oh ja, ich habe gehört, dass Euch die Tat nicht bewiesen werden konnte. Aber der Minnehof hat andere Gesetze – ich bin sicher, die Sache kommt vor der Herzogin noch einmal zur Verhandlung.«
François wandte sich brüsk ab, wobei er irgendeine Verwünschung des Minnehofes murmelte – ein weiterer Verstoß gegen die Regeln. Aber wie es aussah, würde er damit davon kommen. Der Ausschluss vom Hof der Herzogin berührte ihn nicht, diese Strafe hatte ihn schließlich schon früher getroffen. Freilich würden seine Karrierechancen weiter leiden – vorerst würde er kaum Aufnahme in die Ritterschaft des Herzogs finden. Sabine gab sich hier aber keinerlei Illusionen hin: Wenn François in einigen ernsthaften Schlachten siegreich focht oder auch nur ein paar weitere, große Turniere gewann, würde das Veto der Herzogin wenig gelten.
So beschloss sie, die Sache einfach zu vergessen. Statt sich weiter zu grämen, wollte sie sich lieber unauffällig auf die Suche nach Florimond machen. Der junge Ritter hätte beim letzten Kampf ein Anrecht auf einen Platz auf der Ehrentribüne des Herzogs gehabt, diesen jedoch nicht eingenommen. Sabine hoffte, dass seine Schulterverletzung nicht schlimmer war, als zunächst angenommen. Auf dem Weg zu den Ställen holte sie jedoch ein Page ein und verbeugte sich linkisch vor ihr.
»Marquise de Caresse, die Herzogin schickt mich. Ihr möchtet Euch bitte unverzüglich zu ihr begeben. Das ist ganz wichtig. Unverzüglich, sagte sie.« Der Kleine strahlte im Vollgefühl seiner Wichtigkeit. Sabine dankte ihm und folgte ihm gleich darauf ein paar Treppen hinauf und durch einige Wehrgänge zum Frauentrakt. Dabei kämpfte sie ein mulmiges Gefühl nieder. Sie brauchte sich vor dem Gespräch nicht zu fürchten, sie hatte nichts zu verbergen. Und zumindest würde die Herzogin nicht daran zweifeln, dass sie wirklich auf dem Weg aus ihrer Kemenate angegriffen worden war und sich nicht auf amourösen Pfaden befunden hatte.
Zu Sabines Verwunderung traf sie die Herzogin nicht in ihrer Kemenate an, sondern in einem der Aufenthaltsräume. Sie hatte bereits einen kleinen Hof um sich versammelt, Sabine erkannte sämtliche Hofdamen und viele Minneherren der Herzogin und der Marquise de Valles. Aber auch Barbe de Richemonde war unter den Anwesenden.
»Sabine!« Catherine d’Aquitaine schenkte ihr ein kurzes, aufmunterndes Lächeln, schaute
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