Melodie der Sehnsucht (German Edition)
beschloss, ihn gleich in der Pause vor dem Kampf, zur Rede zu stellen.
Sabine fand Philippe vor den Ställen, wo er mit seinem Knappen darüber sprach, welches seiner drei Pferde wohl am besten geeignet wäre, gegen François’ gewaltigen, gescheckten Hengst anzutreten. Als Sabine zu ihm kam, schickte er den Jungen weg. Anscheinend war die Entscheidung für den Schimmel gefallen, der sich auch gegen Florimond tapfer gehalten hatte.
»Philippe.« Sabine trat nah an ihren Jugendfreund heran, schließlich musste niemand hören, was hier besprochen wurde. »Du weißt, dass es gleich nicht nur um einen Preis geht.«
Philippe entfernte sich demonstrativ einen Schritt von ihr. »Ja, das hat mir dein Troubadour vorhin schon eindringlich klargemacht. Angeblich wurde deine Ehre verletzt.«
»Angeblich?« Sabine blitzte ihn an. »Dieser François de Caresse hat mich auf dem Rückweg von den Räumen der Herzogin überfallen. Er ...«
»Auf dem Rückweg von der Herzogin?«, fragte Philippe mit anzüglichem Lächeln. »Oder aus den Gemächern des Herrn Florimond?«
»Rede nicht solchen Unsinn, Philippe!«, herrschte Sabine ihn an. »Florimond schläft bei den Ställen, mit allen anderen Fahrenden Rittern. Und wie kannst du glauben, dass ...«
»Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll, Sabine«, sagte Philippe scharf. »Du spielst die Keusche und Tugendhafte, wehrst meine Freundschaft ab und berufst dich nach wie vor auf uralte Prinzipien. Aber dann sehe ich dich mit diesem Ritter.«
»Philippe, er ist mein Minneherr. Ich muss Ritter in Dienst nehmen, das ist Sitte am Hof der Herzogin.« Sabine hasste es, sich rechtfertigen zu müssen. Und das auch noch derart verlogen. Sie sehnte sich danach, zu Florimond stehen zu dürfen.
Philippe schüttelte den Kopf. »Ach, hör auf, Sabine, ich habe euch am Brunnen gesehen. Und ich sehe deine Augen, wenn eure Blicke sich kreuzen. Du gibst diesem Mann weit mehr, als es ziemlich ist. Aber gut, das ist deine Sache – und die seine, du hast mir deutlich genug gemacht, dass dein Leben mich nichts angeht. Aber verlange nicht, dass ich für deine Unschuld in die Schranken reite! Deine Unschuld, Sabine, hast du längst verloren, gleichgültig, in wessen Armen!«
Abrupt wandte der Ritter sich ab und ließ Sabine stehen.
Sie fühlte Tränen über ihre Wangen rinnen.
Philippe – trotz aller Unstimmigkeiten war sie seiner so sicher gewesen. Und nun war da nur noch Bitterkeit.
Doch Sabine wusste nicht, mit welch brennenden Augen der junge Ritter sie seinerseits von den Ställen her verfolgte. Wie sehr er litt, als er sie verloren dort stehen und dann erschöpft und gebeugt abgehen sah. Sabine – eben hatte die Wut aus ihm gesprochen, aber er hatte nie aufgehört, sie zu lieben und zu begehren. Und gleich würde er sein Bestes tun, diesen François de Caresse zu schlagen. Nicht um ihre Unschuld zu verteidigen – was das anging, so sollte sie ruhig ein bisschen mit dem Schicksal hadern – aber seinen Besitz! Sabine war sein, ob sie wollte oder nicht! Sie sollte niemand anderem gehören, nicht im Guten und nicht im Bösen. Florimond d’Aragis hatte er das eben deutlich gemacht. Jetzt war François de Caresse an der Reihe. Und irgendwann würde Sabine es begreifen.
Sabine atmete auf, als kurz vor dem entscheidenden Kampf zwar noch nicht die Herzogin, wohl aber Marquise de Valles auftauchte und den Vorsitz der Ehrentribüne und die Aufsicht über die Mädchen übernahm. Sie versicherte Sabine, Catherine d’Aquitaine ginge es schon wieder recht gut, aber sie fühle sich doch noch geschwächt. Sabine vermutete, dass die Herzogin auch keine besondere Lust hatte, heute noch einmal die Tribüne aufzusuchen. Kurz nach Florimonds Ausscheiden hatte es zu regnen begonnen, und die Damen froren in ihren leichten Festgewändern. Zudem war François’ und Philippes Schlagabtausch der letzte Tjost, danach stand ein Buhurt auf dem Programm, eine nachempfundene Reiterschlacht, bei der zwei Parteien von Rittern gegeneinander antraten. Für die Damen war das Zuschauen hier nur eine Qual – kaum jemand außer den speziell dafür geschulten Herolden konnte dem Schlachtverlauf wirklich folgen. Für die Frauen bot sich nur der Anblick einer Staubwolke, aus der Kampflärm und Geschrei drangen – oder, wenn es geregnet hatte, ein Inferno aus ausgleitenden Pferden und von Kopf bis Fuß schlammbesudelten Rittern, die im bodenlosen Morast des Kampfplatzes aufeinander einschlugen. Kein Wunder, wenn die
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