Melodie der Sehnsucht (German Edition)
teilen – und Sabine vermerkte nervös, dass Barbe zusammen mit Madeleine und zwei anderen Mädchen in einer Gesindekammer einquartiert wurden. Die nächsten Nächte würde Jules nicht mit ihr verbringen können, Sabine schwante Schlimmes.
Aber dann wurde sie ganz von ihrer alten Dienerschaft und vielen Besuchern aus der Nachbarschaft in Anspruch genommen. Dabei wollte praktisch niemand zu Sabine de Caresse, Hofdame der Herzogin. Stattdessen suchten all die verlorenen, alleingelassenen Seelen der ehemaligen Katharer den Beistand ihrer Parfaite.
»Wir sind spirituell derart verarmt, seit Ihr fort seid, Marquise«, klagte die Frau eines Tuchmachers aus dem Dorf. »Mein Mann hat versucht, ein paar Gebete mit uns zu sprechen, aber er schafft es nicht mit Eurer Inbrunst. Es hat einfach keiner von uns die Gabe, die Menschen so zu erleuchten wie Ihr, oder weiland die Parfaite Henriette, Gott möge ihre Seele erheben!«
»Ich möchte meine Tochter verheiraten, aber sie will ihr Gelübde nicht vor einem dieser Pfaffen ablegen. Gut, sie wird es letztlich müssen, aber es macht ihr Angst, seit sie gesehen hat, wie diese Leute in Montségur gewütet haben. Könntet Ihr nicht eine Andacht halten, Dame Sabine, damit die beiden vor der Gemeinde Zeugnis ablegen können?«, fragte der Schmied.
»Mein Mann schlägt mich, Dame Sabine – und der Kaplan gibt ihm da noch recht, er soll die Eva in mir ruhig züchtigen. Aber das kann doch nicht im Sinne Gottes sein. Wenn Ihr dagegen predigen würdet ...«
»Mein Kind stirbt vor Angst vor dem Fegefeuer, von dem der Kaplan dauernd redet, der Kleine mag kaum noch einschlafen, er hat Angst, er stirbt im Schlaf, und dann brennt er bis in alle Ewigkeit. Wenn Ihr ihm nur von der Liebe Gottes erzählen könntet, Dame Sabine.«
Die Wünsche und Sorgen ihrer alten, geheimen Gemeinde stürmten auf Sabine ein, sobald sie nur ihre Kemenate verließ und den Menschen Gelegenheit gab, sie anzusprechen. Natürlich öffnete sie gleich darauf ihre Räume für die Besucher, und während Fleurette nervös vor der Tür Wache hielt, tröstete sie Kinder, hielt verirrten Ehemännern vor, was wirklich in der Bibel stand, und betete mit Kranken.
Florimond, der abends durch Fleurette davon erfuhr, raufte sich die Haare.
»Sie weiß nicht, was sie tut! Die Risiken sind unermesslich. Wenn auch nur einer dieser Leute redet, wenn einer ein Spion ist ...«
»Wir kennen diese Leute von Kindheit an«, beruhigte ihn Fleurette, obwohl sie seine Sorge im Grunde teilte.
»Ja?«, fragte Florimond. »Und was ist mit Philippe? Der hat sie schon einmal fast verraten.«
Philippe war hier auf Clairevaux wieder zur Hofgesellschaft gestoßen und von der Herzogin in Gnaden aufgenommen worden.
»Da war er nicht bei sich«, meinte Fleurette. Was sie anging, so fürchtete sie weit eher, dass Sabine sich selbst verriet. Zumal die junge Frau längst viel gefährlichere Dinge plante, als ein paar Gebete in ihrem Schlafzimmer.
»Ich werde die Gemeinde zu einer Andacht empfangen«, erklärte sie ihrer entsetzten Zofe. »Morgen Nacht, im alten Keller. Die Leute haben so dringend darum gebeten, und ich sehne mich auch danach, die Kraft der Gemeinde wieder hinter mir zu spüren und Gott gemeinsam mit Freunden zu ehren.«
»Marquise, das könnt Ihr nicht machen!« Fleurette hätte ihre Herrin am liebsten geschüttelt. »Die Gefahr ist zu groß. Mein Gott, der halbe, kirchentreue Hof des Herzogs ist in diesen Mauern. Und drumherum wohnen all die Ritter und Bediensteten in Zelten. Wie sollen die Leute überhaupt ins Schloss kommen?«
»Die meisten sind doch schon da, Fleurette!« meinte Sabine unbekümmert. »All die Handwerker und Diener, und der Adel ist morgen nach der Jagd zum Bankett geladen. Das wird sich bis weit in die Nacht hinziehen, kein Mensch wird merken, dass einige der Gäste eher gehen und wohin.«
Im Grunde hatte sie da nicht Unrecht. Mit den vielen, zusätzlichen Dienern und Gästen im Haus war das Schloss ein Bienenstock, in dem ständiges Kommen und Gehen herrschte. Niemand würde Fragen stellen, wenn sich ein paar Domestiken in den Keller begaben. Und die Adligen mussten eben vorsichtig sein.
Dennoch hielt Fleurette den Plan für Wahnsinn. Jean Pierre und Florimond stimmten ihr da vollständig zu, und der Ritter nahm sogar selbst das Risiko auf sich, sich bei Nacht vor Sabines Fenster zu schleichen, während Jules noch mit den Rittern trank, um seiner Liebsten ins Gewissen zu reden.
»Sabine, dein Gatte
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