Melodie der Sehnsucht (German Edition)
vergewisserte sich mit einem kurzen Rundumblick, dass Sabine bereits gegangen war.
»Ihr werdet sie gleich umso besser unterhalten. Und ich habe Euch etwas abzubitten, denke ich ...« Noch immer lächelte Philippe, aber in seinem Blick stand nun fast ein Flehen.
Florimond entschuldigte sich bei den Damen und wandte sich ihm zu. Ein anderer Sänger übernahm seine Laute.
»Herrgott, d’Aragis, das dauert verdammt lange, bis bei Euch der Groschen fällt«, herrschte Philippe ihn mit leiser Stimme an, während er ihm den Becher füllte. »Aber nur raus damit: Wisst Ihr etwas? Wo ist Sabine?«
»Sabine?« Florimond war auf der Hut.
»Verdammt, d’Aragis, sie hat sich eben hier herausgeschlichen, und dieser Caresse ist ihr genau so heimlich nach. Die treffen sich doch nicht zu einem Schäferstündchen! d’Aragis, sie hält doch nicht etwa eine Andacht?«
Florimond brauchte nicht zu antworten. Philippe las es in seinem Gesicht.
»Oh Gott, so verrückt kann sie nicht sein. Wo sind sie, Florimond? Im Keller oder irgendwo draußen?«
Im Sommer hatte Sabine die Andachten gern im Freien gehalten, wie es bei den Katharern Brauch war. Philippe betete, dass sie auch jetzt genug Verstand besessen hatte, ihre Gemeinde fern des Schlosses zu versammeln.
»Im Keller«, gab Florimond zu. »Ich wusste, dass es Wahnsinn ist. Was machen wir denn jetzt?«
»Ihr macht gar nichts!«, wies Philippe ihn an. »Oder doch, singt Euch die Seele aus dem Leib, damit zumindest hier keiner argwöhnisch wird. Ich gehe sie warnen.«
»Aber wenn Caresse ihr gefolgt ist?«
»Er muss ein paar Ritter herbeirufen, bevor er sie auffliegen lässt, er braucht Zeugen, und allein kann er auch kaum alle festnehmen. Und ich muss nicht an ihm vorbei, es gibt einen Eingang von draußen. Also wünscht mir Glück, Florimond. Wünscht mir um Himmels willen Glück!«
Damit war Philippe hinaus – und Florimond musste seinen plötzlichen Aufbruch mit einem Lächeln überspielen. Die Herzogin schaute ein bisschen argwöhnisch – vermutlich nahm sie an, die Ritter hätten gestritten. Aber sie war jetzt nicht in der Stimmung, sich damit auseinanderzusetzen.
Florimond ergriff seine Laute.
Philippe hastete aus dem Rittersaal, die Stiegen zum Küchengarten hinunter und an den Wirtschaftsgebäuden vorbei. Vom Rosengarten aus führte ein gut getarnter Eingang in den Keller. Die Leute von Auswärts hatten ihn sonst benutzt, sicher waren auch heute ein paar Gemeindemitglieder von dort aus gekommen. Jetzt jagte Philippe die Treppen hinunter – und fand die Tür zur Kapelle verschlossen. Verzweifelt hämmerte er dagegen. Aber das war fast hoffnungslos, er hörte keine Stimmen von drinnen, die Tür musste also aus massivem Holz sein.
Philippe wollte sein Schwert nehmen und darauf eindreschen, aber dann erinnerte er sich an eine Axt, die er eben im Küchengarten neben einem Hauklotz gesehen hatte. Philippe rannte zurück, holte das Werkzeug und hieb mit der Kraft der Verzweiflung auf die Tür ein. Er schrie, als er das Holz durchschlug.
»Sabine, ich bin’s, Philippe. Macht auf! Sabine!«
Schließlich näherte sich von innen ein Mann und drehte den Schlüssel um. Philippe erkannte den Schmied.
»Ihr seid es ja wirklich, Monsieur! Ich meinte, etwas gehört zu haben. Aber was soll das denn? Dieser Radau? Sie werden uns noch verraten.«
»Ihr seid schon längst verraten«, brüllte Philippe ihn an, stieß ihn zur Seite und rannte in das Kellergebäude. Sabine stand am Vortragspult, strahlend schön und von innen leuchtend wie immer, wenn sie den Menschen hier predigte. Aber Philippe sah heute nur die Gefahr, in der sie schwebte. Er warf sich zwischen sie und ihre Gemeinde.
»Alles raus hier! Du auch, Sabine, man ist dir gefolgt. Macht schnell, nehmt die Pforte zum Garten.«
Philippe rang keuchend nach Atem, während Sabine noch versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Die ersten Gemeindemitglieder sprangen aber bereits auf und rafften ihre Mäntel zusammen. Doch dann hörten sie Waffenklirren vom Haupteingang. Und gleich darauf die harte Befehlsstimme des Jules de Caresse.
»Hier geht niemand mehr raus! Hebt die Arme und stellt euch an die Wand – der Raum ist umstellt. Wer eine Waffe zieht, ist des Todes!«
Die Menschen in der Kapelle ließen sich still und ohne Gegenwehr abführen. Jeder von ihnen wusste, dass sein Leben verwirkt war. Wer einmal der Ketzerei abschwor, dann aber rückfällig wurde, hatte keinerlei Gnade zu erwarten. Auch Sabine folgte ihren
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