Melodie der Sehnsucht (German Edition)
ihr Gatte ihre Höfe nicht getrennt, das wäre nun doch eine zu große Zumutung für die Gastgeber gewesen. So konnte Sabine auch nicht darauf hoffen, wegen irgendwelcher Unpässlichkeiten von der Herzogin in Anspruch genommen zu werden und so dem gemeinsamen Lager mit Jules zu entkommen. Zitternd und angespannt lag sie am Abend nach dem Bankett zwischen den sauberen Laken und fror trotz flackernden Feuers im Kamin fast mehr als im Zelt mit Florimond. Tatsächlich geschah aber nichts. Jules fiel erst spät in der Nacht schwer betrunken neben sie und schlief sofort ein. Am Morgen stand er früh auf – nach wie vor wurden täglich Totenmessen für François gehalten und jetzt, während des Besuchs des Herzogs, mussten sie zwangsläufig ins Morgengrauen verlegt werden, damit Jules und der restliche Hof Zeit hatten, sich den hohen Gästen zu widmen. In den folgenden Nächten erschien Jules de Caresse dann gar nicht in Sabines Bett – was sie einigermaßen verwunderte. Unter den Hofdamen wurde jedoch darüber geklatscht, dass einzig Barbe de Richemonde ein eigenes Appartement angewiesen bekommen hatte – und die junge Frau zog auch mit einem entsprechend wichtigen Ausdruck herum. Für Sabine klärte das natürlich alles und ließ sie aufatmen.
Florimond war darüber allerdings beunruhigt. Der Ritter, der höfische Sitten sehr gut kannte, wertete es als Affront.
»Natürlich ist es schön, dass deine Herrin unbehelligt bleibt«, erklärte er Fleurette. Der Kontakt der Liebenden lief zurzeit beinahe nur über ihre Diener, im Schloss ihres Gatten wagte Sabine nicht, ihrem Minneherrn nahezukommen. Florimond hatte sich jedoch besorgt nach ihr erkundigt, als er von Barbes Unterbringung hörte. »Aber eigentlich gebietet es die Höflichkeit, dass der Gatte zumindest ein paar Stunden im Ehebett verbringt, wenn er es schon mit seiner Frau teilt. Bei getrennten Kemenaten ist das etwas anderes, da kann er seiner Wege gehen, aber so ... Er zeigt Sabine nur zu deutlich seine Missachtung, und das ist gefährlich.«
»Gefährlich inwiefern?«, fragte Fleurette nervös. »Meint Ihr, er will sie verstoßen? Aber das wäre ihr doch nur recht ...«
»Es geht aber nicht ohne guten Grund!« meinte Florimond. »Er müsste sie beim Ehebruch ertappen oder sonst einem ernstlichen Fehltritt. Und nachdem das schon einmal misslungen ist, bezweifle ich, dass er einen weiteren Vorstoß versucht. Zumal mir im Moment wenig daran gelegen ist, ihm einen Vorwand zu geben. Er würde ja nicht nur Sabine verstoßen, sondern mich auch hinterher fordern – und er ist ein guter Fechter. Während ich im Moment kaum einen Knappen im ersten Ausbildungsjahr besiege.« Der Ritter fasste bekümmert an seine Schulter. Er trainierte verbissen jeden Tag, aber es würde noch Monate dauern, bis er ernsthafte Kämpfe bestehen konnte.
»Aber dann besteht doch keine Gefahr«, meinte Fleurette naiv. »Mit einem anderen Ritter wird er sie kaum aufgreifen.«
Florimond seufzte. »Mädchen, am sichersten trennt der Tod! Und Unfälle geschehen schnell. Pass nur gut auf deine Herrin auf, Fleurette!«
Florimond beobachtete Sabine besorgt, aber mit Abstand. Fleurette dagegen wich möglichst nicht von ihrer Seite, auch nicht, als der Hof schließlich aufbrach, um nun tiefer ins Ariège hineinzureiten und das Schloss ihrer Väter zu besuchen. Auf Clairevaux wähnten ihre Freunde Sabine zumindest sicher – ohne zu ahnen, dass sich gerade hier die dunklen Wolken der Intrige über ihr zusammenzogen.
Einundzwanzigstes Kapitel
Sabine fühlte sich glücklich und irgendwie erleichtert, als sie im Gefolge der Herzogin auf Clairevaux einritt. Erst jetzt wurde ihr klar, wie sehr sie das kleine Schloss mit seinen veralteten Wehranlagen vermisst hatte. Freudig begrüßte sie jedes Wächterhäuschen am Eingang zur äußeren Mauer und die quietschende, uralte Zugbrücke über dem Burggraben.
Graf de Clairevaux empfing seine Gäste am Haupttor am Ende der Brücke, und die Herzogin nickte huldvoll, als er seine Tochter in die Arme schloss. Jules de Caresse begrüßte seinen Schwiegervater dagegen eher kühl – wieder ein Umstand, den Florimond bedenklich fand. Er selbst wurde nicht förmlich willkommen geheißen. Für den Grafen de Clairevaux war er schließlich nur einer der Gaukler oder Ritter im Gefolge des Herzogs.
Als solcher bezog er wieder mal Quartier im Stall, während Sabine und ihr Gatte ihre alten Räume im Schloss bezogen. Auch hier mussten sich die Eheleute einen Raum
Weitere Kostenlose Bücher