Melodie der Sehnsucht (German Edition)
kredenzt wird.«
Die kleine Comtesse strahlte überirdisch. Sie hätte sich Florimond wohl am liebsten angeschlossen, als sie ihn jetzt an einen Diener weiterleitete, der ihm einen Sitzplatz bei den Rittern, aber nahe den erhöhten Plätzen des Hausherrn und der Hochzeiter anwies. Aber dann besann sie sich doch ihrer Pflichten, während Florimond sie schon vergessen hatte. Seine Neugier betraf eher die Braut. Die Haltung ihres Vaters hatte ihn neugierig gemacht. Welches Mädchen übergab man diesem zweifellos reichen, aber nicht sehr minniglichen Marquis de Caresse? Im Übrigen erinnerte sich Florimond jetzt auch an ihn vom Hofe des Herzogs. Er hatte ihn dort zwar nicht kennengelernt, aber von ihm gehört. Der Mann hielt wohl mehr von Feldzügen als vom Höfischen Leben. Unter anderem hatte er bei der Belagerung von Montségur eine entscheidende Rolle gespielt. Seltsam, dass er jetzt ausgerechnet ein Mädchen aus einer Albigenserfamilie ehelichte.
Diesmal gelang es Sabine immerhin, vor Jules de Caresse im Saal der Ritter einzutreffen. Steif begrüßte sie die Gäste und näherte sich ihrem künftigen Gatten angstvoll, um ihn zur Begrüßung zu küssen. Hoffentlich machte er nicht wieder einen Eklat daraus, wie beim letzten Mal! Aber diesmal verhielt Caresse sich untadelig höflich. Er griff nicht nach Sabine, als sie seine Lippen nur flüchtig mit den ihren streifte, sondern verbeugte sich formvollendet. Seine Augen blitzten auch nicht bedrohlich auf, sein Blick ruhte besitzergreifend, aber gelassen auf seiner Braut. Sabine machte allerdings auch das unruhig.
Florimond d’Aragis hatte die Angelegenheit ›Hochzeit auf Clairevaux‹ bislang mit eher unbeteiligtem Interesse verfolgt. Sicher war die Sache etwas merkwürdig und vielleicht steckte auch eine Geschichte dahinter, die Stoff für ein Lied bieten mochte. Als Troubadour war er immer auf der Suche nach spannenden oder anrührenden Geschehnissen, die er dann in seine Dichtung einweben und damit auch weiter verbreiten konnte. Er hätte jedoch nie damit gerechnet, dass ihn irgendetwas daran tiefer berühren könnte.
Zumindest solange nicht, bis er Sabine de Clairevaux’ ansichtig wurde. Die junge Braut betrat den Rittersaal mit verhaltenen Schritten und wirkte fast ängstlich. Erst als sie merkte, dass ihr künftiger Gemahl noch nicht anwesend war, schien sie sich zu entspannen, hielt sich jedoch bescheiden im Hintergrund. Man hörte sie nicht mit den anderen Frauen plaudern und kichern. Stattdessen stand sie starr bei ihrem Vater, die schmale Gestalt dem Eingang zugewandt, als erwarte sie von dort ihren Henker. Florimond ließ die Blicke möglichst unauffällig über sie streifen – wobei ihm zunächst nur auffiel, dass sie schön war. Hochgewachsen, von zierlicher Gestalt, aber ausgestattet mit verlockenden Formen, die sich unter der kostbaren meerblauen Robe deutlich abzeichneten. Ihr Haar war tiefdunkel – ,das zumindest erkannte man unter dem feinen Gespinst des hellblauen Schleiers, der über ihren Locken und ihrem Gesicht lag. Eigentlich hätte sie ihn gar nicht gebraucht – hüllte doch allein ihre Fülle seidigen, glatten Haares ihre Gestalt in einen glänzenden Mantel. Und ihr Gesicht hätte man ohnehin kaum gesehen, so tief hielt sie den Kopf gesenkt.
Was um Himmels willen hatte dieses Mädchen? Florimond erfasst fast instinktiv seine Aura abgrundtiefer Verzweiflung. Das hier war keine glückliche oder auch nur aufgeregte und ein wenig nervöse kleine Braut. Sabine de Clairevaux bewegte sich eher, als begäbe sie sich auf einen Opferaltar. Hier begann kein Leben, es endete! Florimond verspürte den Drang, auf sie zuzugehen und zumindest zu erfragen, was sie derart traurig machte. Liebte sie womöglich einen anderen und wurde Jules de Caresse zwangsweise angetraut? Aber wo war dann dieser Ritter? Warum machte er keine Anstalten, das Mädchen zu befreien?
Florimonds Herz schlug schneller, als Sabine jetzt den Platz der kleinen Comtesse einnahm und die Gäste begrüßte. Und besonders erfasste ihn tiefe Rührung in dem Moment, als sie endlich den Schleier hob und ihrem Gatten ein schneeweißes, ausdrucksloses Gesicht zuwandte, in dem riesige tiefblaue Augen um Gnade flehten.
»Ihr seid sehr schön, meine Liebe«, bemerkte Caresse, nachdem Sabine ihn geküsst hatte. Dabei schien er ihre Rundungen unter der weiten Tunika zu taxieren. »Das Kleid gefällt mir. Aber was darunter ist, wird mir noch besser gefallen.«
Sabine, bis jetzt geisterhaft
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