Melodie der Sehnsucht (German Edition)
heute ihre Eskorte bildeten, trat sie an den erhöht aufgestellten Ehrentisch und nahm neben ihrem künftigen Gatten Platz. Diener kredenzten den edelsten Wein und versorgten die Gäste mit einer fast unendlichen Speisefolge. Es gab Wild und Hausgeflügel, Salate und Käse, alles angerichtet mit Kräutern und Gewürzen aus eigenen Landen. Graf de Clairevaux legte Wert darauf, möglichst viele Fleischspeisen zu reichen, auch wenn er selbst ihnen nur mit Widerwillen zusprach. Die Katharer vor allem höherer Ränge verzichteten weitgehend auf tierische Nahrung, ihr Glauben ächtete jegliches Töten ohne Not. Sabine wusste die Speisen insofern erst recht nicht zu würdigen. Als angehende Parfaite hatte sie gänzlich vegetarisch gelebt, und nun war es ihr obendrein zuwider, mit Jules de Caresse den Teller zu teilen – sie hoffte, dass der Ritter zuhause nicht auf dieser Vertraulichkeit bestehen würde. Heute erwartete man es jedoch von ihm, und er wurde nicht müde, ihr die Schale vorzuhalten oder den Becher mit Wein zu füllen und an ihre Lippen zu führen. Dabei schien er besonderes Vergnügen daran zu empfinden, sie mit Fleischbrocken zu füttern, die sie nicht ablehnen konnte, ohne sich als Ketzerin zu verraten. Sabine hoffte, er meine dies freundlich, aber eine innere Stimme sagte ihr, dass er die Sitten der Albigenser sehr wohl kannte. Zwischendurch suchten seine Hände erneut mit beunruhigender Beharrlichkeit die ihren. Sabine schmeckte der Wein bitter und die fein gewürzten Speisen schal.
Schließlich endete aber auch dieses Festmahl. Die Tische wurden herausgetragen, um Platz für die Darbietungen von Troubadouren und Akrobaten zu schaffen – und vor allem für den Höhepunkt des Abends, die Eheschließung von Jules und Sabine.
Florimond war einer der ersten, die aufgefordert wurden, zu singen, und er hoffte, die traurige Braut damit wenigstens ein bisschen von ihrem Kummer abzulenken.
Mit seiner klangvollen, dunklen Stimme trug er eine Ballade vor, und die Hofgesellschaft lauschte voller Spannung. Nur die junge Braut schien Florimonds Stimme gar nicht wahrzunehmen. Sabine schien nur der Zeremonie entgegenzufiebern, die sie gleich mit dem ungeliebten Mann an ihrer Seite verbinden würde. Sie war wie eingesponnen in den Kokon ihrer Trauer, und Florimond wünschte sich plötzlich brennend, diesen Kokon zerreißen zu können. Was für ein Schmetterling könnte sie sein, gäbe man ihr nur die Chance, zu fliegen!
Die Hochzeitszeremonie war einfach. Nachdem der Graf de Clairevaux angekündigt hatte, dass er seine Tochter Sabine heute mit dem Marquis de Caresse zu verheiraten gedenke, bildeten die Ritter einen Kreis, um den Bund zu bezeugen. Sabine und Jules traten in seine Mitte und schritten aufeinander zu.
Sabine stand zitternd vor dem Ritter, der sie ohne Zögern küsste – auch diesmal sanft und der Etikette entsprechend, wie sie immerhin zugeben musste. Wäre da nur nicht dieser verräterisch lüsterne Glanz in seinen Augen gewesen.
»Mit diesem Kuss«, erklärte Jules, »nehme ich dich zur Frau.«
Sabine war wieder totenbleich, aber sie wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Zumindest nicht hier und jetzt. Zögernd hauchte sie ihrerseits einen Kuss auf Jules’ Lippen.
»Mit diesem Kuss«, sagte sie tonlos. »Nehme ich dich zum Mann.«
Während die Ritter lachten und applaudierten, zog Jules seine junge Frau in die Arme.
»Macht es dir keinen Spaß zu küssen, kleine Parfaite?«, flüsterte er ihr dabei ins Ohr und schien es zu genießen, dass sie bei Nennung des Titels erschauerte. »Warte ab, das wird sich ändern. Die Ketzer haben dich ein bisschen ... nun, weltfremd erzogen, nicht wahr? Aber das wirst du bald vergessen. Ich versteh mich auf Jungfrauen, Sabine.« Dabei stahl sich seine Zunge aus dem Mund und umwarb ihr Ohrläppchen mit Berührungen, die wohl eine Liebkosung sein sollten. Sabine fand sie nur abstoßend. Sie wollte weg von ihm – so schnell wie möglich!
Eine Stunde musste sie jedoch noch bleiben, das verlangte der Anstand. Mit halbem Ohr lauschte sie dem Vortrag eines schönen, in edles grünes Tuch gekleideten Troubadours, der wohl berühmt sein musste. Die anderen Mädchen hatten vorhin zumindest über sein Kommen getuschelt. Tatsächlich hätte sie das dunkle, aber doch honigsüße Timbre seiner Stimme zu anderen Zeiten bezaubern können, aber jetzt folgte sie seinen Versen nur mit mäßigem Interesse. Schließlich ging es dabei immer nur um Liebe. Die vergebliche Liebe
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