Melodie der Sehnsucht (German Edition)
Herrin kompromittiert, der Marquis wird sie nicht mehr wollen, und ihr Vater muss sie Euch zur Frau geben. Und alles verläuft wie geplant.«
Philippe überlegte. Einer solchen Variante hätte er zustimmen können. Aber irgendetwas sagte ihm, dass ein Jules de Caresse seine Beute nicht so leicht einem anderen überlassen würde. Eine solche Flucht wäre ein gefährliches Unterfangen. Und was hätte er letztlich davon? In Italien würde Sabine ihn vergessen – und hier in Aquitanien erwartete ihn bestenfalls eine keusche Ehe, schlimmstenfalls ein Ende durch die Klinge des Jules de Caresse.
»Ich weiß nicht, Sabine, ich muss darüber nachdenken«, murmelte er.
»Aber wir sollten es gleich tun, Philippe. Gleich heute Nacht, solange wir noch Mut haben.« Sabine sah den jungen Ritter hoffnungsvoll an.
Philippe schüttelte den Kopf. Wenigstens dagegen hatte er gute Argumente. »Heute Nacht? Obwohl dieser Caresse unter eurem Dach weilt und uns gleich morgen nachsetzen kann? Du bist von Sinnen, Sabine! Lass den Mann erst mal wieder abreisen, lass alles zur Ruhe kommen, dann können wir immer noch fliehen. So etwas will vorbereitet sein. Das beschließt man nicht in einer verzweifelten Stunde.«
Sabine hätte schreien können. Aber sie konnte nicht umhin, ihrem Ritter recht zu geben. Eine Flucht in dieser Nacht wäre töricht und gefährlich. Und sie hatten ja tatsächlich noch drei Wochen Zeit.
»Gut, Philippe«, sagte sie widerstrebend. »Dann sollst du die Nacht bestimmen, in der wir gehen. Du willst mir doch helfen, nicht wahr?«
Philippe nickte qualvoll. »Natürlich will ich dein Bestes, Sabine. Aber wir sollten ... Sabine, einen solchen Bund ... wollen wir ihn nicht durch einen Kuss beschließen?«
Der junge Ritter sah das Mädchen an wie ein Ertrinkender das rettende Wasser. Er wollte sie ja retten. Er sehnte sich schmerzlich danach, mit ihr zusammen zu sein. Wenn er nur einmal ihre Lippen spüren, den Duft ihrer Haut aufnehmen, ihr seidiges Haar berühren könnte. Wenn sie ihm nur etwas Hoffnung machen könnte – er würde jedes Wagnis für sie eingehen.
Sabine sah mit großen Augen zu ihm auf.
»Bitte, Sabine, nur ein Kuss!« ›So küss ihn schon!‹, dachte Fleurette. ›Sonst macht er womöglich einen Rückzieher.‹ Sie selbst dachte sich nie etwas dabei, etwa den Hausknecht mit einem raschen Kuss zu belohnen, wenn er ihr bei schwereren Arbeiten zur Hand ging. Ihre zögernde Herrin hätte sie jetzt am liebsten geschüttelt!
Sabine stand stumm und steif auf der Treppe.
»Du hast selbst diesen Caresse geküsst«, bemerkte Philippe, und es klang wie ein Flehen.
»Ich kann nicht«, flüsterte sie schließlich. »Warum sollte ich dich küssen? Es erschiene mir wie ein Verrat. Wir beide sind doch einer anderen Sache verpflichtet, etwas Größerem.«
Philippe wandte sich ab.
»Au revoir, Mademoiselle la Parfaite«, sagte er leise.
»Mein Ritter von Montségur«, antwortete Sabine ebenso förmlich.
Fleurette verdrehte die Augen.
Drei Tage später erreichte den Grafen de Clairevaux die Nachricht von der Abreise Philippes de Montcours in das Städtchen Larosse an der Küste. Eine dringliche Familienangelegenheit duldete keinen Aufschub. Mit der Rückkehr des Ritters sei erst nach Sabines Hochzeitsfeier zu rechnen.
Sabine weinte.
Viertes Kapitel
Sabine war eine wunderschöne Braut, als sie Jules de Caresse am Tag des nächsten Vollmonds die Hand zum Ehebund reichte. Fleurette und eine Reihe schnatternder Edelfräulein, die mit ihren Familien zur Hochzeit gekommen waren, schmückten sie mit den feinsten Gewändern und edelsten Juwelen. Dabei hatte Sabine sich bis zuletzt gegen ein weißes Kleid gesträubt, obwohl es langsam Mode wurde, Bräute in der Farbe der Unschuld zu kleiden. Für Sabine blieb die weiße Robe schönster Schmuck der Katharer-Parfaits. In der Rolle der Vorbeterin hatte sie diese selbst getragen. Jetzt den Bund mit einem ungeliebten, kirchentreuen Ritter in einem weißen Kleid einzugehen, erschien ihr wie eine Verhöhnung all ihrer Wünsche und Träume.
So entschied sich Sabine schließlich für eine meerblaue, fußlange Tunika über einem hellblauen Kleid aus arabischer Seide, beides reich bestickt mit Saphiren und Aquamarinen. Ein breiter, goldener Gürtel betonte Sabines schmale Taille und ein ebenfalls mit Aquamarinen und Saphiren besetzter Goldreif hielt ihr Haar zurück, das nur leicht von einem hauchdünnen Schleier aus maurischen Landen bedeckt war. Sabine selbst hatte
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