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Melodie der Sehnsucht (German Edition)

Melodie der Sehnsucht (German Edition)

Titel: Melodie der Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wings
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kleiner Landgraf bieten konnte. Dazu bevorzugte er Minnehöfe – er trug lieber Balladen vor denn handfeste Trinklieder. Er schmeichelte lieber den Damen als mit den Rittern zu zechen. Im Land der Katharer oder ›Albigenser‹, wie man die Abtrünnigen auch nannte, war es allerdings unüblich, dass eine Comtesse oder Marquise ihren eigenen aufwändigen Hof auf der Burg ihres Gatten führte. Die Katharer fühlten sich sowohl zum einfachen Leben als auch zur weitgehenden Enthaltsamkeit verpflichtet. Sinnenfrohe Minnehöfe passten da ebenso wenig ins Bild wie Turnierkämpfe, die fahrenden Rittern die Möglichkeit boten, Preisgelder zu erringen. An diesem Tag war Florimond jedoch durchnässt nach einem langen Ritt im Regen und erschöpft nach der Reise über die Berge. Er war ohne Aufenthalt unterwegs, seit er den letzten größeren Hof in Spanien verlassen hatte und war nun bereit, überall zu singen, wo man ihm ein halbwegs standesgemäßes Obdach bot und ein ordentliches Mahl vorsetzte. Womöglich hätte er sich sogar dazu herabgelassen, die Leute in einem Gasthof zu unterhalten. Die Nachricht, auf dem Schloss von Clairevaux fände heute eine Hochzeit statt, hatte ihn jedoch beflügelt. Brautvater und Bräutigam würden über sein Kommen erfreut sein, und die Gastgeschenke fielen bei Hochzeiten auch meist großzügiger aus.
    Florimond lenkte sein Pferd also auf den Hof des Schlosses von Clairevaux und wurde tatsächlich freundlich aufgenommen. Der Comte de Clairevaux, ein grauhaariger und wie von einem Gram gebeugter alter Ritter, begrüßte ihn gleich bei den Ställen. Er hatte ohnehin seinen künftigen Schwiegersohn in Empfang genommen – zu Florimonds Verwunderung einen kaum jüngeren Ritter mit harten Zügen, der eher geschäftsmäßig als minniglich bewegt wirkte – und war nun hocherfreut, einen Sänger begrüßen zu können, der sein Fest zweifellos aufwerten würde.
    »Meine Tochter hat immer gern Musik gehört«, meinte er, und wieder hatte Florimond das Gefühl, als ob der Graf sich eher auf die Beerdigung denn auf die Verheiratung seiner Tochter vorbereitete. »Zumindest, sofern sich Euer Vortrag im Rahmen der Schicklichkeit bewegt. Derbe Trinklieder und lüsterne Anspielungen werden wir doch nicht hören?«
    Florimond schüttelte fast etwas beleidigt den Kopf. Wie konnte der Mann glauben, er würde die Ohren einer jungen Braut durch anstößige Verse beleidigen? Der junge Troubadour versicherte es dem Grafen mit artigen Worten, woraufhin der alte Herr beruhigt wirkte und seine Bediensteten anwies, Florimond eine Schlafstatt zuzuweisen. Er hatte auch genügend Anstand, sich für die Primititivität des Quartiers zu entschuldigen. Mit Marquis de Caresse und seinem Gefolge waren alle besseren Unterkünfte belegt. Florimond würde im Stall schlafen müssen.
    Aber immerhin warm und trocken, dachte der fahrende Ritter, als er sein Pferd wohlversorgt sah, und der kleine Gaston ihm ein Heulager in luftiger Höhe anwies. Die Clairevaux’ lagerten ihr Winterfutter über den Ställen, und eigentlich gefiel es Florimond sogar ganz gut. Durch die Ritzen im Dach würde Mondlicht einfallen, und man konnte die Sterne sehen. Lediglich die Leiter, über die das Ganze zu ersteigen war, erschien ihm etwas abenteuerlich. Florimond beschloss, sich beim Wein in den Hallen seines Gastgebers vornehm zurückzuhalten. Es war sicher keine gute Idee, diese Stiege betrunken zu erklimmen.
    Jetzt aber kletterte er hinauf, schob Heu zu einem duftenden Lager zusammen und tauschte dann seine durchnässte Reisegarderobe gegen saubere und dem Anlass angemessene Kleidung. Schließlich fand er den Weg in den Rittersaal und war einer der ersten, denen der traditionelle Willkommenstrunk gereicht wurde. Wie erwartet von einer aufgeregten kleinen Ehrenjungfrau. Das Mädchen wurde wohl am Hofe der Herzogin von Aquitanien erzogen – Florimond meinte, es dort schon einmal gesehen zu haben – und war ganz aus dem Häuschen, den berühmten Troubadour begrüßen zu dürfen. Fast lüstern streiften ihre Blicke über sein schmales, edles Gesicht und sein lockiges braunes Haar. Die Herzogin hätte die Kleine zweifellos dafür gerügt, aber Florimond nahm gutmütig lächelnd den Pokal voll edlen Weines aus ihrer Hand und bedankte sich artig.
    »Als ich heute Nachmittag durch den Regen ritt, konnte ich mir nichts Willkommeneres denken als einen Kelch edlen Weines. Aber wie viel süßer mundet jeder Schluck, wenn er von so schönen Händen wie den Euren

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