Melodie des Südens
Aufsehers über sich ergehen zu lassen. Einige von ihnen fanden, die paar Tage Ruhe waren die Strafe wert. Vielleicht war es Pearl zu viel geworden, das Kochen in dieser Hitze und dann die Pflege für Peter.
Marianne schüttelte den Kopf. »Nein, du brauchst sie mir nicht zu schicken.« Sie ging zurück zu den Hütten. Joseph kam aus einer Hütte weiter unten, nicht aus seiner eigenen. Sie kannte seine Hütte seit ihrer Kindheit, wenn Hannah sie mit in die Unterkünfte genommen hatte, um ihr ein Stück Zuckerrohr zu geben. Wenn sie nur daran dachte, hatte sie wieder den süßen Geschmack auf der Zunge.
Joseph blieb im heißen Staub der Straße stehen und wartete auf sie. Er brauchte ein frisches Hemd, bemerkte sie. Beide Ärmel waren zerrissen, und der Stoff war ganz fadenscheinig. Sein Overall war noch in Ordnung, immer noch dunkelblau von der Indigofarbe. Er ging barfuß auf harten Fußsohlen, aber es war schließlich Sommer. Sie würde ihm ein neues Hemd geben.
»Ist das Pearls Hütte? Ist sie krank?«
Marianne kannte Joseph, solange sie denken konnte. Er hatte ihr beigebracht, die Häute der gekochten Erdnüsse auszuspucken, er hatte ihr neugeborene Hundewelpen und Kätzchen gezeigt, und jetzt konnte er ihr nicht in die Augen sehen.
»Pearl ist krank im Herzen.« Als Marianne ihn immer noch ansah, fügte er hinzu: »Ihr Mann, Luke, hat sich eine andere Frau gesucht.«
Marianne verschränkte die Arme vor der Brust. Sklavinnen nahmen sich keinen Tag frei, weil sie unter gebrochenem Herzen litten. Sie wartete und betrachtete Josephs freundliches Gesicht. Sie kannte ihn so gut, er wollte sie nicht anlügen, und jetzt kämpfte er mit sich.
»Was ist wirklich los, Joseph?«
Joseph sah an ihr vorbei über ihre Schulter hinweg. Sie ließ ihm Zeit zum Nachdenken, bis sie in seinem Gesicht den Entschluss sah, ihr zu vertrauen.
»Pearls Mann ist weg.«
»Weg? Du meinst, er ist weggelaufen?« Sie brauchte einen Moment, um das zu verdauen. »Wann?«
»Heute Nacht.«
»Aber das hier ist eine gute Plantage«, protestierte sie. »Mein Vater sorgt gut für seine Sklaven. Es gibt genug zu essen, sie können eigene Gärten anlegen …« Dann sah sie Joseph an, wie um eine Bestätigung zu verlangen.
»Ja, Ma’am, Mr Johnston ist ein guter Herr.«
»Ich verstehe das nicht. Das ist doch schrecklich gefährlich, und das Leben hier ist … doch nicht so schlecht.«
»Luke ist ein Mann, Missy. Er will nicht das Lasttier für jemand anderen sein. Er will kein Sklave sein. Nirgendwo und für niemanden.«
Marianne ging zum Stamm des Baumes, der Schatten über sie warf, und lehnte sich daran. So lange hatte Joseph sie nicht mehr Missy genannt. Er vertraute ihr, und sie war stolz darauf.
»Wie gut sind seine Chancen?«
»Jetzt, wo die Hunde weg sind, kann er es bis zur nächsten Station schaffen.«
»Station?«
»Es gibt viele Stationen, Häuser und so, die Flüchtlinge aufnehmen. Sie geben ihnen zu essen, verstecken sie, und dann schicken sie sie weiter zur nächsten Station. So kommen sie in die Freiheit.«
Die Arme immer noch fest vor der Brust verschränkt, ging Marianne auf und ab. »Ach, so geht das«, murmelte sie. Dann blieb sie direkt vor Joseph stehen. »Und McNaught weiß noch nicht, dass er weg ist?«
»Wohl nicht, nein, Ma’am. Sonst hätten wir schon die Glocke gehört, mit der er die Männer für die Suche zusammenruft.«
Marianne Johnston, Tochter eines Mannes, der zweihundert Sklaven besaß, konnte vielleicht nicht bis ins Tiefste die Verzweiflung verstehen, die einen Menschen überkam, der für einen anderen nicht mehr als ein Lasttier war. Aber sie verstand sehr wohl, welches Risiko derjenige einging, der einem Flüchtling half. Zum einen war es gegen das Gesetz. Inzwischen war es in Louisiana sogar verboten, die eigenen Sklaven freizulassen.
Und wenn sie Luke bei seiner Flucht half oder auch nur so tat, als wüsste sie nichts davon, untergrub sie damit die Institution, von der der gesamte Süden der Vereinigten Staaten abhängig war, in finanzieller ebenso wie in kultureller Hinsicht. Sie würde nicht nur ihrem kulturellen Erbe untreu werden, sondern vor allem ihrer Plantage, Magnolias. Ihrem eigenen Vater. Sie ging die staubige Straße entlang zum Hühnerhof am anderen Ende des Baumschattens und zurück. Nicht auszudenken, wenn sie erwischt wurde. Es waren schon Männer wegen des gleichen Vergehens erschossen worden, ihre Häuser waren niedergebrannt worden.
Aber Luke war nicht einfach ein
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