Melodie des Südens
ihm ein reuiges Lächeln. Das Kopfweh half ihm, den verkaterten Nachtschwärmer zu spielen. »Bourbon«, sagte er.
»Aus welchem Anlass?«
»Äh, aus Anlass der Anwesenheit einer Flasche Bourbon, denke ich.« Yves schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich. »Wo sind unsere Gastgeber?«
»Miss Johnston ist in ihrem Garten. Die Rosen, du verstehst. Und Adam hat irgendwas mit McNaught zu besprechen. Scheint so, als hätte irgendwer heute Nacht seine Hunde entführt. Der Mann tobt förmlich.«
Yves legte eine Hand an seine Stirn und verbarg sein Gesicht. »Mein Gott, habe ich einen Schädel!«
Marcel trank seinen Kaffee aus. »Ich würde dir einen entspannten Tag empfehlen. Trink den Kaffee in Ruhe aus, ich sehe mir mal die Rosen an.«
Die Rosen oder Miss Marianne Johnston? Böse Gedanken schossen ihm durch den Kopf, über seinen Bruder, Gedichte, Rosen und eine gewisse blauäugige Gärtnerin. Er stöhnte und schenkte sich eine zweite Tasse Kaffee ein.
Marianne hatte früh gefrühstückt. Auf dem Weg zum Komposthaufen war sie an den Ställen vorbeigekommen.
Seltsam, dachte sie, dass Marcels Wallach abgesattelt wurde. Wo Marcel wohl so früh gewesen war?
Sie wollte heute früh mit Joseph das Wenden des Komposts beaufsichtigen. Es musste mehr Mist hineingearbeitet werden, und der Kompost musste gewässert werden. Eine Stunde später waren ihre Arme bis zu den Ellbogen schwarz vor Erde. Außerdem mussten noch mehr Stecklinge eingepflanzt werden, das machte sie am liebsten selbst.
Als Marcel sie am Ende ihres Gartens fand, hatte sie sich schon mit einer schmutzigen Hand über die Stirn gewischt, und die Haarsträhnen hingen ihr ums Gesicht. Sie sah furchtbar aus.
Marcel kam den Weg entlang auf sie zu spaziert. Es war zum Heulen. Sie war erhitzt und verschwitzt, und er kam auf sie zu, makellos wie immer …
»Guten Morgen«, antwortete sie ihm.
»Ich bin gekommen, um Sie ein wenig von der Arbeit abzuhalten, wenn ich darf«, sagte Marcel. »Ich habe keine Ahnung von der Rosenzucht, würden Sie mir etwas darüber erzählen?«
»Aber gern.« Wer sonst zeigte wohl jemals Interesse an ihrer Arbeit? Adam jedenfalls nicht, und ihr Vater hörte nur aus Höflichkeit zu, wenn sie sich für die weiß geflammten Blütenblätter begeisterte.
Sie zog ihre Gartenhandschuhe aus und wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Hier haben wir die neuen Setzlinge. Aus Samen gezogen, natürlich. Diese hier stammen von einer Damask Perpetual und einer Pink Gallica ab.« Sie erklärte ihm, wie sie versuchte, einige außergewöhnliche Rosatöne hervorzubringen, und wie sehr sie auf einen spektakulären Erfolg hoffte.
Ich glaube fast, er interessiert sich wirklich dafür, dachte sie. Sie begeisterte sich für seine Fragen, freute sich über die leichte Berührung ihres Ellbogens, als sie sich hinkniete, um einen Topf aufzuheben.
Er hatte schöne Augen. Und er war ein Gentleman. Keine gierigen Blicke in ihren Ausschnitt, keine Versuche, ihr Blut in Wallung zu bringen. Yves Chamard war ein Schurke, sie hatte es immer schon gewusst. Aber Marcel … er war die Sanftmut selbst.
»Sie sind heute früh schon ausgeritten?«, sagte sie, nur um ein wenig Konversation zu machen.
Marcel schaute sie fragend an.
»Ich sah, dass Ihr Pferd abgesattelt wurde, als ich aus dem Haus kam.« Sie sollte nicht so neugierig sein, er wollte offenbar nicht darüber sprechen.
»Ach ja?« Er senkte den Blick auf seine Stiefel. Verflixt, dachte sie, jetzt hält er mich für neugierig und ungezogen. Er hob den Kopf wieder und lächelte sie an. »Es war so ein schöner Morgen«, sagte er.
Sie spazierten durch den Garten, und Marianne erklärte ihm das eine oder andere Beet, bis sie zur hinteren Veranda kamen. »Vielen Dank für Ihr Interesse an den Rosen, Mr Chamard.«
Marcel neigte den Kopf, und sie bewunderte den Schwung seines gewellten schwarzen Haares auf seiner Stirn.
»Es war mir ein Vergnügen«, sagte er. »Eine faszinierende Arbeit.«
»Nun, ich werde jetzt ins Haus gehen. Ich muss vor dem Mittagessen noch eine tiefgreifende Verwandlung zustande bringen«, sagte sie und strich ihre Schürze glatt. Ein wenig scheu berührte sie ihr Haar, das sich unter ihrer Haube hervorkräuselte.
Er lachte. Was für ein freundliches, angenehmes Lachen. »Ich bin gespannt auf das Ergebnis«, sagte er und verließ sie, um kurz zum Fluss zu gehen, während sie sich in eine Schönheit zurückverwandelte.
Marcel blieb einen Augenblick am Fluss stehen.
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