Melville
greife in ihre Richtung, sie muss mir helfen. Sie muss einfach!
Doch sie dreht sich dann schließlich nur um und rennt davon.
Ich
fasse an meine Bauchwunde, aus der unbehelligt mein Blut
hervorquillt. Selbst mit größter Mühe, schaffe ich es nicht, sie
effektiv zu verschließen. Nein, dies hier war eine andere Waffe.
Tod
Meine
Gliedmaßen werden taub und der Hunger immer unerträglicher Ich
schaffe es einfach nicht, nach Hilfe zu rufen. Nach James... oder
Daniel.
Minutenlang
liege ich hier, den Folgen ihres Verbrechens ausgeliefert. Und mein
rationaler Verstand versagt immer mehr seinen Dienst, wird
überblendet von der Gier nach Blut und Rache. Und ganz langsam neige
ich meinen Kopf zur Seite und raffe mich einige Zentimeter auf. Ich
schließe die Augen, um es nicht wahrhaben zu müssen, und beginne,
gierend vor Abhängigkeit, mein eigenes Blut vom Parkett aufzulecken.
Wie ein Tier und ich habe es ihr zu verdanken. Dafür wird sie
bezahlen!
Trotz
meiner Versuche, mein Blut zurückzugewinnen, hilft es nicht wirklich
weiter. Der Schmerz betäubt mich immer wieder neu, unterbricht meine
möglichen Pläne. Ich öffne den Mund, um laut zu schreien, doch
nichts, als ein leises Krächzen entfährt meiner Kehle. Es darf
einfach nicht wahr sein! Nicht so!
Ich
verliere das Bewusstsein.
Alles
wirkt so schleierhaft trüb und ich bin nicht in der Lage, zwischen
Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Traum? Ich habe seit meiner
Erschaffung nicht mehr geträumt, wie könnte das also sein?
Ich
renne lachend über eine Wiese, die Sonne scheint. Ich erkenne den
Ort wieder. Hinter dem Haus meines Vaters haben mein Bruder,
Jonathan, und ich öfters gespielt, bevor wir uns nicht mehr
verstanden. Ein herrlicher Tag. Jonathan versucht mich zu fangen,
doch heute schaffe ich es ausnahmsweise, schneller zu sein als er.
Ich bin jung, sehr jung und mein Lachen ist ehrlich und hell. Ich
renne auf das Haus zu und sehe den Streifenwagen. Sie sind gekommen,
um meinem Vater mitzuteilen, dass meine Mutter...
Und
da schrecke ich wieder auf. Das kurze Zucken jagt wieder die Pein
durch meinen Leib, reißt die Wunde weiter auf. Ich unternehme den
kläglichen Versuch, mich auf den Flur zu hieven. Mich bemerkbar zu
machen. Ich liege hinter meinem Schreibtisch, sehe nur unter ihm den
offenen Türbereich. Sieben Meter vielleicht, sieben elendige Meter.
Da
erkenne ich Turnschuhe, wie sie an meiner Tür vorbeigehen. Daniel!
Ich
versuche ihn zu rufen, doch es klappt nicht. Ich schlage verzweifelt
auf den Boden auf, aber meine Bewegungen sind so schlaff, dass es
kein bedeutendes Geräusch verursacht. Er trägt sicher wieder seine
verfluchten Kopfhörer und bekommt nichts mit. Ein Seher also?
Lächerlich!
Ich
gebe mich der Situation geschlagen und merke, wie mein Verstand sich
damit abfindet. Ich presse meine Hand auf die Wunde und gleite in
Erinnerungen ab. Schöne Erinnerungen, in denen ich Ruhe finden kann.
Wie Benedict lachte, als ich beim ersten Mal ‘Malkavianer’ falsch
aussprach. Wie er mich stolz in seinen Runden präsentierte, wie ich
auf seinem Schoss lag, überlegend, ob er nicht mehr von mir wollen
könnte. Und ich erinnere mich besonders intensiv an seinen Kuss.
Der, der mich ablenken sollte und der, der mich erschuf. Und ebenso
wie damals auch, falle ich wieder in die ewige Dunkelheit. In die
Unendlichkeit, in der Schmerz und Angst nichts weiter sind als Worte.
Genugtuung ist, wenn andere für ihre Taten büßen
„Melville?”,
höre ich entfernt, wie durch Watte, an mein Ohr drängen. Jemand
hält meine Hand.
„Melville,
bist du wach?“, wieder ist da jemand und sagt meinen Namen.
Ich
blinzele leicht und spüre, dass ich in einem Bett liege. Die Hand
lässt meine augenblicklich los. Die Person erhebt sich und wirft
seinen Schatten auf mich.
„Wer
ist da?”, frage ich leise. Ich bin verwirrt, wie bin ich hier
hergekommen? Was ist passiert?
„Ich
bin es, Andrew.“, antwortet er beunruhigt.
„Andrew?“
und im ersten Moment will mir wirklich nicht einfallen, woher ich
diesen Namen kenne. Ganz langsam nur, tropfen die Erinnerungen in
meinen Verstand. Ich schließe die Augen wieder, es ist anstrengend.
„Ja,
aus deinem Klüngel. Erinnerst du dich nicht, Melville?“ und ich
fühle, wie er mir eine kurze Haarsträhne von der Stirn streift.
„Doch...
doch, ich muss nur...”.
„Bewege
dich nicht! Ist schon in Ordnung, du musst dich jetzt auch nicht
erinnern. Ich bin einfach bei dir.”. Ich erinnere mich langsam
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