Melville
seltenen Momenten, wenn mich alles überfordert und ich
mich zurückziehe, ist keiner da, um mich zu beurteilen. Momente, in
denen mir der Verlust von Benedict doch sehr bewusst ist. Wenn mir
klar wird, dass sein Tod erheblich schmerzhafter ist als der meines
echten Vaters jemals hätte sein können. Wenn ich ihn vermisse und
wünsche, einen Mentor zu haben, der mir beistehen kann. Doch diese
Momente dauern meist nur einige Minuten. Minuten, in denen ich das
Wasser im Bad laut laufen lasse, damit niemand mein Schluchzen hören
kann. Wenn ich mich dann wieder gefangen habe, fehlt mir jegliches
Eigenverständnis, warum es überhaupt gerade im Herzen so wehtat.
Ich stehe jetzt auf eigenen Beinen, warum nicht? Es ist gut so! Somit
sind meine Anweisungen, nach einem derartigen Absturz, besonders
befehlerisch. Doch, da ich dann meist nur mit James interagiere, ist
es nicht weiter von Bedeutung.
Angst fördert Zorn, Zorn fördert Hass, Hass fördert Gewalt
„So,
das waren die Letzten. Ich hoffe, jetzt ist der Mist erledigt. Hab
mich ganz schön zum Affen gemacht. Die dachten schon, ich spioniere
sie aus.“, sagt Vanessa, als sie mir die Zettel mit ihrem neuesten
Datenabgleich auf den Tisch legt.
„Wäre
das so verwunderlich?”.
„Was?“,
fragt sie misstrauisch. Um sie nicht unnötig weiter zu reizen, sage
ich
„Ich
fände das auch merkwürdig, wenn jemand in meinem Clan nach den
neuen Adressen fragt. Ich hoffe, du hast erwähnt, dass es mit einem
Klüngeldienst zusammenhängt.”.
„Ich
bin doch nicht blöde, sonst hätte mir die Hälfte sicher eh keine
Antwort gegeben.”.
Aber
auf das Thema eben bezogen, schließlich wüsste ich niemanden, der
sich besser damit auskennen könnte und mich nicht gefährdet, fallen
mir einige Fragen ein.
„Setz
dich doch bitte, ich muss mit dir reden.”. Sie sieht mich erst
skeptisch an, folgt dann aber meiner Bitte.
„Was
willst du?”, fragt sie scharf.
„Nicht
gleich so ablehnend, Vanessa. Ich habe nur ein paar Fragen und du
scheinst mir dafür die geeignete Ansprechpartnerin zu sein.”. Oder
sollte ich lieber doch nicht? Ich bin mir unsicher, aber jetzt ist es
bereits ausgesprochen.
„Also
was?”, fragt sie wieder unwillig. Sie kann es sicher einfach nicht
anders.
„Ich
weiß aus zuverlässigen Quellen, dass du nicht in der Camarilla
geboren wurdest.”, ihre Augen fangen förmlich an zu glitzern.
„Und?”.
„Und
um möglichen zukünftigen Begegnungen nicht durch Unwissenheit
erlegen zu sein, hätte ich einige Fragen zu dieser Zeit. Deiner
abtrünnigen Zeit.”.
„Da
gibt es nicht viel zu sagen!”, sie verschränkt die Arme vor ihrem
Brustkorb und lehnt sich schwer in den Stuhl hinein.
„Du
stammst ja nun augenscheinlich von den Gangrel ab. Aber gibt es noch
andere Clans bei ihnen? Blutlinien, die wir nicht beheimaten?”.
„Die
Tzimisce hast du doch selber gesehen!”. Wie soll ich ihr nur
klarmachen, dass ich wissen will, welche Fähigkeiten Alfred hatte,
ohne mich dabei zu sehr zu verraten?
„Sind
das alle?”.
„Warum
willst du das wissen, Melville?“, fragt sie argwöhnisch.
„Wenn
wir mal auf sie treffen sollten, dann will ich wissen, mit wem ich es
zu tun habe. Anscheinend hat uns nun ja bereits die erste Aufgabe an
unsere Grenzen gebracht. Ich will einfach nicht schlecht vorbereitet
sein und wissen, welche Gefahren da draußen lauern.”.
„Kannst
du so was nicht deinen Clan fragen? Ehrlich jetzt mal.”. Dieses
Thema scheint ihr wirklich äußerst schwer zu fallen. Warum nur?
„Das
wären dann sicher keine Informationen aus erster Hand. Wann hat man
diese Gelegenheit schon mal?“ und ich lächle leicht. Ein Lächeln,
das sie nicht erwidert.
„Es
gibt da einen Clan, Lasombra, oder so. Die machen so ziemlich das
Gleiche wie die Ventrue bei der Camarilla.”.
„Sie
regieren den Sabbat?”.
„Sie
glauben, dass sie ein gebürtiges Recht auf Herrschaft haben.“ und
ihre ablehnende Körperhaltung wird immer deutlicher. Innerlich kann
ich ihre Einstellung den Eliten einer Sekte gegenüber nur belächeln.
Aber ich muss mehr erfahren.
„Und
was können diese Lasombra genau?”.
„Sie
können mit dem Schatten spielen und das sehr grausam. Und an
Erinnerungen pfuschen sie auch irgendwie rum.“ und ihre Antwort
scheint begleitet zu sein, von schlechten Erfahrungen die sie
gesammelt hat. Doch diese interessieren mich nicht.
„Mit
dem Schatten spielen?“, frage ich weiter nach, denn mit dem
Verstand eines Opfers zu spielen,
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