Melville
entgegen.
Ich merke, wie mein Kopf sich leicht beugt, damit ich ihn aus tiefen
Augen ansehen kann. Schritt um Schritt trete ich näher zu ihm, bis
er sich schließlich erhebt. Die Axt immer noch in der Hand. Ich sehe
auf die Waffe und frage verächtlich
„Was
willst du jetzt tun, Liam? Hmm? Mich töten? Ist das dein Plan?“,
er sieht mich schweigend an, während ich merke, dass sich meine
Hände zu Fäusten ballen.
„Du
bist geisteskrank, Melville.”, ich lache herablassend.
„Nein,
nein, nein, das wäre viel zu einfach, Liam. Die viel unangenehmere
Tatsache, dass ich einfach so bin, ganz ohne gestört im Kopf zu
sein, erträgst du nur nicht. Es zeigt dir nämlich, dass jeder
andere genauso sein könnte wie ich. Du hast keine Ahnung, Liam, was
sich für Gestalten in unserer Welt aufhalten, ich bin nur einer von
vielen.“.
„Aber
du bist mein Erzeuger, verdammt!“ und fährt sich kurz durch das
Haar.
„Und
deine finsteren Taten haben mich dazu gebracht, diese Frau - dein
Opfer - zu töten!”.
„Warum
hast du nicht einfach ihren Verstand gelöscht, Liam, das kannst du
doch so gut?”. Ja, warum hat er das nicht, wenn er es so furchtbar
fand, sie zu töten?
„Ich
kann niemals wirklich sicher sein, ob es auch hundertprozentig
klappt. Wenn sie dich wieder sieht, könnte sie sich erinnern. Wir
wären nie sicher.“.
„Wir?”.
„Ja!
Wir!“, schreit er plötzlich und wirft laut scheppernd die Axt von
sich.
„Du
willst es einfach nicht verstehen, oder Melville? Du lebst hier nicht
allein. Auch wenn ich noch ein Küken bin, so bin ich doch ein
fühlendes und agierendes Wesen. Und wenn mein Erzeuger überführt
wird, wie er eine andere Ventrue entführte und in seinem Keller
gefoltert hat, wird man dem Küken nicht glauben, nichts gewusst zu
haben. Fällst du, falle auch ich!”. So ist es also, es geht ihm
nur um seinen Hintern. Von wegen Mitleid!
„Und
ich dachte schon, du hättest Mitgefühl mit ihr gehabt.“, er sieht
mich mit funkelnden, zornigen Augen an, antwortet aber übertrieben
leise
„Hätte
ich sie sonst umgebracht? Hätte ich sie dir dann nicht gelassen,
wenn es mir so egal wäre?“.
„Vielleicht
wolltest du auch nur mal spüren, wie es ist, jemanden mit den
eigenen Händen zu töten, Liam.“, er schüttelt nur den Kopf und
seufzt.
„Es
ist hoffnungslos. Sobald ich zum Neugeborenen ernannt wurde, werde
ich ausziehen. Ich ertrage es nicht länger, hier zu wohnen.”.
Ich
spüre die Wut, sie ist es auch, die mich etwas die Kontrolle
verlieren lässt. Ich gehe schnell auf Liam zu, schubse ihn und
schreie ihn an
„Geh
nur, geh! Verlasse mich wie all die anderen, doch denke nicht, dass
es irgendetwas ändern wird! Und komm danach nicht angekrochen und
bettele um Hilfe in dieser grausamen Welt!”. Er lässt sich von mir
nicht provozieren, weicht meinen Angriffen nicht aus. Sie sind eh nur
symbolischer Natur. Solange, bis er an die Wand hinter sich stößt,
dann bleibe ich bewegungslos vor ihm stehen, blicke ihm tief in die
Augen. Ich fühle keinerlei Angst, dass er mich Beherrschen könnte,
es macht auch nicht den Anschein, als ob er dies vorhätte.
„Im
Grunde genommen, tust du mir mehr leid als sie, Melville.”, er geht
an mir vorbei, ich bin von seiner Aussage so perplex, dass ich mich
nicht weiter rühre. Da höre ich bereits, wie er die Treppen hoch
geht und mich hier unten mit Marlenes Asche alleine lässt.
In
meinem Kopf beginnt sich alles zu drehen, ich muss mich an der Wand
abstützen. Mein Mund ist unsagbar trocken.
Ich
habe Liam verloren!
„Viel
eher hast du ihn ja wohl mit aller Kraft von dir weggestoßen.”.
Da war es wieder, wie damals in meinem ersten Alptraum.
Wer
bist du? Sag es!
„Du
glaubst doch nicht, dass du mir Befehle geben könntest, oder
Melville? Das wäre zu lächerlich.“.
Der Schwindel
wird immer stärker, ich lehne mich mit dem Rücken an die Wand und
rutsche langsam an ihr herunter. Wie aus Reflex atme ich schnell und
schließe die Augen.
„Du
bist wirklich ein böser Junge, Melville. Und das ist gar nicht gut!
Du verstehst sicher, dass ich dich dafür bestrafen muss?“.
Ich halte es nicht länger aus, diese Stimme in meinem Kopf. Ich
fange an mit dem Hinterkopf gegen die Wand zu schlagen. Erst sachte,
doch schließlich immer fester, bis ich merke, dass sich Feuchtigkeit
unter meinem Haar sammelt.
„Glaubst
du wirklich, das hilft gegen mich? Du bist so einfältig. Es wird mir
eine Freude sein, mich für deine Sünden an dir
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