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Melville

Melville

Titel: Melville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Elter
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deutet dann auf den
Gutschein.
    „Riech
mal, der Stempel duftet nach Kaugummi.“. Und sie hat Recht, der
künstliche Duft eines undefinierbaren Fruchtmix fällt mir auf und
ich muss an die rosafarbenen Kaugummis aus meiner eigenen Kindheit
denken.
    „Wir
sehen uns morgen Nacht, wenn ich zurück bin.“.
    „Ja,
Papa, ich warte hier auf dich.“. Ich rolle den Gutschein wieder
zusammen, streiche kurz über ihren Kopf zum Abschied und verlasse
dann ihr Zimmer. Ich kann noch nicht wirklich glauben, was für ein
surreales Erlebnis das gerade war. Aber es war schön und das ist
wichtig.

    „Setz
dich, Melville.“, sagt Elina. Sie hat im Wohnzimmer auf mich
gewartet. Gregori ist wieder in seiner Werkstatt, so dass wir
möglichst ungestört von anderen sind. Sie hat den großen Teppich
weggeräumt und diverse Hilfsmittel liegen bereit. Ich raffe meine
Hose und setze mich im Schneidersitz zu ihr. Sie greift nach einer
Schale und mit einer kleinen Flamme aus einem antik anmutenden
Feuerzeug entzündet sie das Räucherwerk. Ich erschrecke erst
leicht, doch das Feuer ist nur klein und eher unbedrohlich. Als die
Schwaden beginnen sich im Raum zu verteilen, frage ich
    „Elina?“.
    „Ja,
Melville?“.
    „Werden
mir deine Rituale die Angst nehmen? Die Angst zu versagen?“. Sanft
legt sie das Feuerzeug wieder zu Boden und sieht mich mit
einfühlsamen Augen an.
    „Nein,
Melville. Sie werden nur die Geister milde stimmen und dich seelisch
ein wenig festigen. Gegen die Angst musst du alleine bestehen.“.
Ich nicke nur und blicke auf den Boden vor uns. Sie greift plötzlich
meine Hand und sagt
    „Auch
wenn ich es nicht mag, dass du dich in diese Gefahr begibst, verstehe
ich es natürlich. Das ist ein großer Dienst, den du uns allen
erweist und gerade du, der im Grunde keine Wurzeln im Sabbat hat,
zeigst uns damit, dass es auf das Individuum ankommt und nicht auf
seine Vergangenheit. Manchmal vergessen selbst wir das.“. Ich
lächle nur zaghaft als Antwort und sie sagt zum Schluss
    „Dann
lass uns beginnen.“.
    Sie
zeichnet mit schwarzer Kreide großflächig Symbole um unseren
Sitzbereich, verteilt große Halbedelsteine nach einem nur ihr
bekannten Schema und beginnt, in einer mir fremden Sprache leise zu
flüstern. Ich atme die Düfte und werde ganz ruhig. Sie rührt mit
Pigmenten, ätherischen Ölen und einigen Tropfen ihres eigenen
Blutes verschiedenste Pasten an und bittet mich dann, mein Hemd
auszuziehen. Ich komme ihrer Bitte nach und hinter mir kniend fährt
sie leicht ergriffen die Ritualnarbe mit ihren Fingerspitzen ab. Sie
selbst hat sie dort in meine Fleisch dauerhaft eingebracht, doch der
Anblick scheint sie jetzt wieder zu erinnern. Dann greift sie sich
die verschiedenen Töpfchen mit Farbe und zeichnet diverse Formen und
mystische Symbole auf meine weiße Haut. Ich schließe die Augen und
ergebe mich ganz ihrem erlesenen Okkultismus. Leise beginnt sie dabei
zu summen und schließlich auch mit ihrer zarten Stimme zu singen. Es
klingt wie alte Volkslieder aus ihrer estnischen Heimat, doch was
weiß ich schon über diese Kulturen.
    Sie
entzündet weitere Räuchertöpfchen und schwer legt sich der Duft
von Opium und Moschus auf meine Sinne. Nach und nach trete ich in
einen tranceartigen Zustand über, ein befreites Gefühl von
Vertrauen und Einigkeit mit mir selbst.
    Einen
kleineren, gelb funkelnden Edelstein legt sie mir auf die Zunge und
ich fühle, wie dieser Fremdkörper immer wärmer in meinem Mund
wird. Nicht heiß, nicht schmerzhaft, aber die Wärme, die er
verströmt, durchfährt mich bald darauf komplett. Da ich die Augen
geschlossen halte, höre ich nur, wie sie mit einer Art Klangschale
sanfte Töne zu den Düften mengt und immer wieder mich umkreisend
durch den Raum geht. Ich verliere die Orientierung, es ist angenehm
ungewohnt und ich vertraue auf ihre Fähigkeiten und zweifle diesen
Dienst nicht an. Vor einigen Monaten wäre es noch anders gewesen,
doch sie ist meine Priesterin, meine spirituelle Leitfigur.
    Die
Stunden vergehen, doch ich bemerke es nicht. Erst als die Töne
verstummen, die Kräuter erkalten und sie mich anspricht, verstehe
ich, dass es vollbracht ist. Über die Zeit hat sich der gelbe Stein
in meinem Mund vollkommen aufgelöst und er ist in mich übergegangen.
    „Melville,
du kannst die Augen wieder öffnen.“, sagt sie flüsternd. Ich sehe
ihn ihr freundliches Gesicht, das weiße Haar, das ihre helle Haut
umspielt und ich fühle mich innerlich befreit von sämtlichen

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