Melville
Vanessa schon fast beleidigt und Andrews Blick heftet
sich auf mich und notgedrungen sage ich
„Wir
werden mit meinem Chauffeur zu dir fahren und deine Sachen holen. Du
wirst ja nicht allzu viel mitnehmen, oder?”.
„Na,
mal schauen.“, sagt sie zwinkernd und ich fürchte, dass ich mir
länger als angenommen diese Klette ans Bein gehängt habe.
Ich
warte vor ihrem Wohnhaus, ich bin nicht gewillt mit ihr
hineinzugehen. Es dauert mehr als eine halbe Stunde, bis sie wieder
hinaustritt. In der Zeit nutze ich die Gelegenheit und lese die
aktuellen Nachrichten. Das Unterhaus hat einstimmig ein neues Gesetz
zur Reglementierung und Überwachung des Internets verabschiedet. Ein
Gesetz, von dem ich weiß, dass auch Benedict entscheidend
nachgeholfen hat. Es erfüllt mich mit Genugtuung und auch Stolz zu
sehen, wie weitreichend seine Arbeit wirkt. Er hilft unserem Clan die
Kontrolle zu behalten und die Menschen weiterhin erfolgreich täuschen
zu können, ebenso wie die weiter intensivierte Kameraüberwachung im
Großraum London.
Die
Krise der Eurozone wird immer dramatischer und der verzweifelte
Versuch der Regierung, arme Mit-Europäer von Groß Britannien
fernzuhalten, um Geld in den Sozialausgaben auch in Zukunft gering zu
halten, scheint mir doch etwas peinlich. Englische Anti-Werbung,
soweit sind wir also.
Außerdem
wird in den nächsten Monaten ein Braunkohlekraftwerk in der Nähe
von London eröffnet. Komisch, warum ist es nicht ein modernes
Atomkraftwerk? Wenn ich Vanessa davon erzähle, gründet sie sicher
gleich ein Protestcamp. Dieser Gedanke bringt mich zum Lachen und
mein Fahrer sieht kurz überrascht zu mir.
Dann
öffnet sich ihre Tür, ihre Mitbewohner scheinen ihr zu helfen.
Kistenschleppend folgen sie ihr, mein Fahrer steigt aus und öffnet
den Kofferraum für sie. Doch damit ist es nicht genug, eine zweite
Runde Transportgut folgt und ich bin genötigt, den Rücksitzbereich
zu verlassen. Ich sehe sie zornig an, ich hatte nicht erwartet, dass
sie ihren gesamten Hausstand mitnimmt.
„Was
für ‘ne Karre issen das?“, fragt mich der Rastafari-Mann, den
ich bereits kenne, aber dessen Name ich vergessen habe. Ich gehe gar
nicht auf seine dumme Frage ein, sondern setze mich direkt nach vorne
auf den Beifahrersitz.
„Wohnst
du jetzt bei dem oder was?”, höre ich ihn durch die offenen
Hintertüren weiter fragen.
„Ja,
is wohl so.“, antwortet Vanessa unbedarft.
„Sind
wir dir nicht mehr gut genug?”, fragt er leicht vorwurfsvoll.
„Halt
einfach die Klappe und stell die Kiste rein.“, antwortet sie nur.
„So
fängt es an... und dann kennst du uns nicht mehr und machst einen
auf Oberschicht!”. Laut wirft er die Kiste auf den Rücksitz.
Jeglichen Schaden werde ich ihr vom Klüngelgeld abziehen lassen,
nehme ich mir fest vor. Doch gleichzeitig erheitert es mich, dass sie
bereits jetzt die intolerante Art dieses dauerpöbelnden und
nörgelnden, faulen Unterschichtpacks abbekommt. Wie ist es auf der
anderen Seite, Vanessa?
„Ach
Mann, du weißt doch, dass das nur ‘nen Job ist. Ich muss den
weichen Arsch von dem Typen beschützen. Ich vergess euch nicht...
ich melde mich die Tage. Passt auf Jimmy auf, okay?”. Im
Seitenspiegel sehe ich, wie sich die Anwesenden in die Arme fallen,
während mein Fahrer den Kofferraum schließt. Ihre beleidigende
Aussage und die verlorene Zeit, ich will nicht länger warten. Ich
lehne mich zur Fahrerseite und schwungvoll betätige ich die Hupe.
Laut und durchdringend ertönt das Warnsignal. Die Gruppe erschrickt,
ebenso wie mein Fahrer.
„Arschloch!“,
höre ich noch, ich lache in mich hinein. Dann wirft sich Vanessa auf
den letzten freien Bereich der Rückbank und ich drehe mich zu ihr
um.
„Verzeihung,
ich wollte den trauten Abschied nicht unterbrechen.”, sage ich
betont scheinheilig. Sie streckt mir nur die Zunge entgegen und
schweigt dann. Sie scheint erstaunlicherweise doch etwas von ihrem
Abschied betrübt zu sein. Mein Fahrer steigt auch wieder ein und wir
können uns endlich auf den Rückweg machen. Ich hoffe, das war das
letzte Mal, dass ich ihre Absteige sehen musste. Und während wir
abfahren, winke auch ich diesen Unterprivilegierten fröhlich zu und
flüstere
„Auf
nimmer Wiedersehen!”.
Als
wir endlich wieder an meinem Haus sind, steht ein größerer
Lieferwagen vor meiner Tür. Was hat das zu bedeuten?
Ich
steige aus und erkenne auch die offene Eingangstür. Fast schon will
ich mich aufregen, ob Andrew jetzt seine gesamten
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