Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
Partridge und Iralene! Jetzt kommt doch her!«
Schnell packt Iralene ihn am Ärmel. »Wenn du nicht mitmachst, werde ich nicht mehr gebraucht«, zischt sie. »Ich bin eine Verräterin. Wenn ich dich nicht dazu bringen kann, mitzukommen …«
Partridge begreift, was für ein krankes, abgekartetes Spiel sein Vater spielt, und wird noch wütender. Doch als er Iralenes gequälten Blick sieht, sagt er: »Okay, ich rede mit ihm. Wir kriegen das hin.«
Schon stehen Mr und Mrs Hollenback vor ihnen, und bevor Partridge die Situation klarstellen kann, wird er von einer Lawine aus Gejubel, Glückwünschen, Handschlägen, Umarmungen und Schulterklopfen überrollt.
»Was sagst du jetzt, Julby? Bald wird geheiratet!«, ruft Mrs Hollenback.
Geheiratet . Partridge wird schlecht. Er denkt an Lyda, an ihre Zeit unter dem freien Himmel im Haus des Gefängnisdirektors. Er war bereit, den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen. Für immer. Und jetzt?
Außer ihm schweigt nur Julby. Ihre Wangen sind gerötet, als hätte sie geweint. »Wie schön«, sagt sie.
»Willst du ihnen denn nicht gratulieren?«, fragt Mrs Hollenback.
»Gratuliere!«, keift Julby. »Wir Glücklichen! Wir Glücklichen! Wir Glücklichen!« Damit dreht sie sich um und fängt an, Kinderzeichnungen von der Wand zu reißen – Blumen, Pferde und Regenbögen.
»Nicht jetzt, Julby!«, schimpft Mr Hollenback. »Nicht vor den Gästen!«
»Wir Glücklichen!«, kreischt Julby und rennt aus der Küche.
Mrs Hollenback schlägt sich die Hand vor den Mund. Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Sie greift nach Partridges und Iralenes Händen und lässt sie nicht mehr los. »Ihr dürft keinem erzählen, dass sie sich so aufgeführt hat! Das erweckt einen ganz falschen Eindruck. Sie ist ein braves, liebes Mädchen. Sie ist normal, ganz anders als Jarv! Julby wird zu einer ordentlichen jungen Frau heranwachsen. Erzählt ihnen nichts. Okay? Ich bitte euch.«
»Hör auf, Helenia«, mahnt Mr Hollenback. »Mach es nicht größer, als es ist.«
»Wir erzählen es nicht weiter, Mrs Hollenback«, versichert Partridge. »Versprochen.«
Iralene lächelt. »Ich habe nur gehört, dass die Kleine ›Wir Glücklichen‹ gesagt hat. Und sie hat doch recht. Wir können uns wirklich glücklich schätzen. Es gibt so vieles, wofür wir dankbar sein sollten.«
Mr Hollenback legt seiner Frau eine Hand auf die Schulter. »Siehst du, Liebling?«
»Wir reden nicht mehr von Jarv«, sagt Mrs Hollenback.
»Genau«, flüstert ihr Mann. »Wir schauen nach vorne, nicht zurück. Das ist beschlossene Sache.«
Mrs Hollenback nickt und geht zur Spüle. »Ja, ja, natürlich. Wir Glücklichen. Wir Glücklichen. Wir Glücklichen .«
LYDA
Zwergreh
Lyda hat gelernt, den Wald zu lesen. Zu dieser Nachmittagsstunde wandern die Tiere zu den Wasserstellen, um sich eine Pause vom täglichen Versteckspiel zu gönnen. Das Licht, das immer schräger durchs Blätterdach fällt, lässt Staubkörner aufleuchten, die in der Luft umherwirbeln. Im Hintergrund ist das ununterbrochene, ungleichmäßige Ticken des Waldes zu hören, das schräge Krächzen der Vögel in den Wipfeln, das plätschernde Wasser auf der Suche nach anderem Wasser, mit dem es sich vereinigen kann. Es duftet nach Erde und Staub.
Zu Lydas Linken, ein paar Meter entfernt, pirscht sich Mutter Hestra an, etwas holprig wegen Sydens Gewicht, doch ebenfalls beinahe lautlos. Inzwischen weiß Lyda, welche Worte sich rückwärts in ihr Gesicht eingebrannt haben und ihre Wange überschatten: … DAS LAUTE BELLEN DER HUNDE. ES WAR BEINAHE DUNKEL. Doch sie hat Mutter Hestra nie gefragt, was die Worte bedeuten oder woher sie kommen. Wäre es nicht unhöflich, sie darauf anzusprechen? Mutter Hestra erzählt nie davon, was sie gemacht hat, als die Bomben fielen. Sie redet generell kaum über ihr Leben im Davor.
In diesem Wald wuchert dichtes Unterholz; deshalb eignet er sich so gut für die Jagd. Mutter Hestra und Lyda haben viel Übung darin, kleinere Tiere abzupassen – Zwergrehe, Ratten oder zweibeinige Wiesel, die ihre Körper hinter sich herschleifen. Die gefährlichen Raubtiere lassen sie nachts ungestört auf Nahrungssuche gehen, doch die Gefahr ist nie weit. Andere Mütter sind auf der Jagd selbst zur Beute geworden, wurden von Mehrlingen oder Bestien erlegt.
In der Nähe befindet sich das Tagesnest eines Zwergrehs. Lyda kann es riechen. Zwergrehe ruhen sich im Rudel aus. Dabei verströmen sie einen scharfen Moschusgeruch, ganz anders als der
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