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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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Hände auf Bradwells Gesicht und weint heiße, zornige Tränen. Sie weint so sehr, dass sie kaum sprechen kann. »Das wird schon wieder. Du darfst nicht sterben.«
    »Das hast du nicht zu entscheiden«, erwidert er.
    Als sie sich über ihn beugt, bohren sich die Ampullen schmerzhaft in ihre Rippen. Sie erinnert sich an die Bestie beim Vergnügungspark, an die Hand der Bestie, die verheilt und zu einer muskelbepackten Pranke angeschwollen ist. Zwei Spritzen hat sie noch. Sie bringen den Körper dazu, selbstständig Zellen zu regenerieren. Warum nicht auch Bradwells Zellen? »Ich kann das wieder in Ordnung bringen!«, ruft sie und schiebt ihren Pullover nach oben, wickelt den Stofffetzen ab, der die Ampullen fixiert, und hält sie hoch. »Hier.«
    Bradwell schüttelt den Kopf. »Ich will als Reiner sterben, Pressia. Als meine Version eines Reinen.«
    Sie schüttelt ebenfalls den Kopf. »Ich weiß, das Serum ist gefährlich. Aber jetzt müssen wir das Risiko eingehen.«
    »Ich bin rein. Du bist es auch. Lass mich als Reiner sterben.« Er hebt die Hand und berührt ihr Gesicht. »Versprich’s mir.«
    Sie nickt. Sie würde allem zustimmen, wenn er nur bei ihr bleibt. »Okay«, erwidert sie, als befänden sie sich in einer Verhandlung. »Aber du versprichst mir, dass du wach bleibst. Dass du bei mir bleibst.«
    Er schüttelt den Kopf. »Du wirst mich vermissen.«
    »Hör mir zu, Bradwell! Du kannst jetzt nicht gehen!«
    Doch er schließt die Augen. Sein Gesicht wirkt ganz ruhig. Friedlich. »Nein, nein, nein«, flüstert sie. Ihre Mutter konnte sie nicht retten, Sedge auch nicht. Sie konnte nichts tun. Diesmal kann sie etwas tun. Sie blickt auf Bradwells Gesicht, auf die beiden schönen Narben auf seiner Wange. Sie hat ihm versprochen, ihn als Reinen sterben zu lassen. Sie hat es versprochen.
    Aber sie sieht keinen anderen Ausweg. Und dieser Moment – der Moment, in dem sie ihn noch retten kann – wird nie zurückkehren. Sie legt die Spritzen weg, zieht ihm den Mantel aus und reißt sein Hemd am Rücken auf, bis die blutige Haut und die drei schlaffen Vögel freiliegen, die für immer mit ihm verwoben sind. Zwei Vögel scheinen bereits tot zu sein – starre Klauen, glasige Augen. Doch der dritte lässt die Flügel rascheln und blinzelt sie an.
    Pressia hebt eine Ampulle auf. Ihre Hände zittern so stark, dass sie die Kappe kaum von der Nadel kriegt. Sie presst den Kolben einige Millimeter herunter, bis ein kleiner, dickflüssiger Tropfen goldenes Serum aus der Kanüle quillt.
    Sie hat ihm versprochen, ihn als Reinen sterben zu lassen – aber sie hat nicht versprochen, auch die Vögel sterben zu lassen. Und sie sind eins, Bradwell und die Vögel, für alle Zeiten. Deshalb wird sie den Vögeln das Serum spritzen. Es ist ein Schlupfloch, ein aberwitziges Schlupfloch.
    Pressia schiebt die Nadel unter die Federn am Rücken des Vogels und injiziert ihm etwa ein Drittel des Serums. Sie lässt sich Zeit. Der Vogel breitet die Flügel aus, zuckt und bockt ein paar Sekunden lang und beruhigt sich wieder. Sie macht mit dem zweiten Vogel weiter und schließlich mit dem dritten, bis die Spritze leer ist.
    Dann krabbelt sie wieder auf Bradwells andere Seite und fährt ihm durchs Haar. »Bradwell …«
    Er bewegt sich nicht. Er zwinkert nicht mal. Seine Lippen sind geöffnet, doch sie bleiben stumm.
    Pressia schluchzt. Ihr Herz gerät ins Stolpern. Ihr Brustkorb zieht sich zusammen. Sie legt sich die Hand auf den Mund und sagt sich, dass er wieder aufwachen wird. Dass sie nicht den Verstand verlieren darf. Nicht jetzt, wo sie so weit gekommen sind.
    Er wird wieder aufwachen.
    Er wird wieder aufwachen.
    Sie legt sich auf die blutige Erde und schmiegt sich an seinen gekrümmten Körper.
    Er wird wieder aufwachen.
    Sie zieht seinen schweren, kräftigen Arm über ihre Hüfte und starrt in den Nebel. El Capitán und Helmud warten neben dem Pferd, das mit hängendem Kopf grast.
    Da hört sie einen Atemzug. Bradwells Arm krampft sich um ihre Taille. Seine Hand ballt sich zur Faust.
    Sie dreht sich um.
    Bradwell hat die Augen aufgerissen.
    Er stöhnt, schreit vor Schmerz. Unter dem getrockneten Blut auf seiner nackten Brust kann sie erkennen, wie sich zerfetzte Haut und freiliegendes Muskelfleisch zusammennähen. Jede kleine Scharte strafft sich zu einem harten Hautknoten.
    Ein einziges Mal sagt er ihren Namen: »Pressia.«
    Auch aus der Ferne hört sie ihren Namen – El Capitán. Dann dringt eine glockenhelle Stimme durch die

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