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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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dieser Stelle. Dann blickt sie wieder aufs Wohnheim. »Ich will Wilda sehen.«
    »Und was ist mit der Ansteckungsgefahr?«
    »Ich weiß, ich darf ihr nicht zu nahe kommen. Aber ich will sehen, dass es ihr gut geht. Am besten gehst du mit Fignan zurück und trägst alles zusammen, was ihr über Schwäne und Cygnus und Brigid finden könnt.«
    »Sicher, dass du jetzt allein sein willst?«
    »Ja.«
    »Okay.«
    Sie geht Richtung Wohnheim, bleibt aber sofort wieder stehen. Da ist noch etwas, das sie einfach nicht loslässt. »Als wir …« Wie sagt man so was? Als wir so gut wie nackt auf der kalten Erde gelegen haben und in den Armen des anderen gestorben sind?
    Aber sie muss gar nicht weitersprechen. Bradwell weiß, worauf sie hinauswill. »Du meinst im Wald.«
    Im Wald. Sie ist froh, dass sie nun einen Namen dafür haben. Im Wald. Nichts mit Nacktsein und Sterben und gemeinsam auf dem Boden liegen, Haut auf Haut. »Ja«, erwidert sie, »im Wald. Als ich Itchy knee. Sun, she go gesagt habe. Du hast gewusst, was das bedeutet. Du hast im Voraus gewusst, was ich als Nächstes sagen würde. Woher? Was sind das für Worte?«
    »Mein Vater hatte ein Spezialgebiet – Japan. Dadurch ist er erst über die Geschichten von den Verschmelzungen durch die Bombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gestolpert. Ich kann ein bisschen Japanisch, und du kannst es auch, du konntest es zumindest als Kind. Ich hab dir doch gesagt, dass die Sprache immer noch in dir steckt.«
    »Das heißt, ich hab Japanisch gesprochen? Ich hab gar nicht über ein juckendes Knie und eine verschwindende Sonne geredet?«
    Sie denkt an das kleine Mädchen, das sie kurz nach den Bomben war, an die vielen Erinnerungen, die neuerdings in ihr aufsteigen – die angesengte Kuh, der zuckende, elektrifizierte Körper, die treibenden Toten im Wasser. Damals hatte sie noch ihre alte Sprache. Sie hat sich daran festgehalten.
    »Du hast gezählt«, erklärt Bradwell. »Eins, zwei, drei, vier, fünf. Ich habe mitgezählt.«

PARTRIDGE
Klavier
    Nach Iralenes Abschied kann Partridge nicht einschlafen. Er denkt immer wieder an Lyda. Offenbar will sein Vater, dass Iralene ihm gefällt – und schon das kommt ihm wie ein Verrat vor. Wo ist Lyda jetzt? Ist sie in Sicherheit? Kümmern sich die Mütter um sie? Er hört das Klavier, dieselbe Sonate. Iralene hat gesagt, er soll der Musik folgen; das war ihre Art, ihm zu helfen. Er spürt einen Anflug von Hoffnung. Vielleicht wird Iralene sich doch noch als nützlich erweisen. Aber zugleich nagt die Angst an ihm. Er will nicht in ihrer Schuld stehen.
    Mondlicht fällt durchs Fenster. Partridge steht auf, humpelt mit schmerzenden Beinen zur Tür und rüttelt am Türknauf. Abgeschlossen.
    Wusste Iralene, dass er hier eingesperrt ist? Er sucht nach einem Werkzeug, mit dem er das Schloss knacken könnte – in den Schubladen des Nachtkästchens, im Bad, sogar an den Fenstern. Vielleicht die Scharniere? Nein. Er schlägt die Stoffumrandung des Betts zurück. Ein gewölbtes Plastikteil mit zwei flachen, ein paar Zentimeter langen Enden fasst den Rand der Matratze ein. Partridge geht in die Knie und hebelt es herunter.
    Dann läuft er zur Tür, verkantet das Plastikteil im Schloss und dreht den Knauf herum. Die Tür schwingt auf. Kein Alarm. Vielleicht soll er sogar entkommen? Vielleicht gehört das zum Plan?
    Langsam schiebt er sich über die Schwelle, innerlich gefasst auf ein elektrisches Kribbeln, das einen Stromschlag ankündigt. Nichts.
    Er schafft es auf die andere Seite. Iralene hat gesagt, dass er durch die Wohnung laufen darf. Gehört die Wohnung zu dem Geheimnis im Geheimnis im Geheimnis, in dem er nun lebt? Damit die Tür sich nicht verriegelt, steckt er das Plastikteil von außen ins Schloss, bevor er sie zudrückt.
    Partridge steht in einem weitläufigen Flur mit Terrakottaboden. Auf Zehenspitzen schleicht er zur Treppe und blickt hinab. Nichts als Dunkelheit. Die Musik kommt von unten. Als er hinuntergeht, spürt er bald kein Terrakotta mehr unter den nackten Füßen, sondern etwas Raueres. Vielleicht Beton.
    Unten betritt er ein hübsches Wohnzimmer mit dick gepolsterten Sofas und Sesseln und Gemälden aus bunten Quadraten und Punkten. Auf dem flauschigen weißen Teppich hockt ein kleiner weißer Hund – so klein, dass er in eine Handtasche passen würde. Der Hund starrt hechelnd ins Leere, als hätte er den Besucher nicht bemerkt. Damals durften die Leute ihre Haustiere mit ins Kapitol nehmen, doch inzwischen sind die

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