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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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Nacken.
    »Du kannst auf dem Sims bis zur Feuerleiter gehen«, erklärt sie, während sie sich die Enden der Krawatte schnappt und zu einem ordentlichen Knoten verschnürt. »Dann musst du rennen.«
    »Komm doch mit. Du musst nicht hierbleiben.«
    »Ich kann nicht.«
    »Natürlich kannst du. Du hast nicht mal ein Halsband.«
    »Ja. Weil sie wissen, dass ich niemals gehen würde.« Sie zieht den Knoten um seinen Hals fest.
    »Die können sich doch denken, dass du das System zum Absturz gebracht hast. Dass du mir geholfen hast.«
    »Aber die ganzen Befehle, die ich eingegeben habe, waren doch ehrlich gemeint. Ich will wirklich nach Indien, China, Marokko …« Sie verstummt.
    »Ich traue meinem Vater nicht. Wer weiß, was er dir noch antut.«
    »Geh, Partridge. Geh einfach.«
    »Das werde ich dir nie vergessen, Iralene.« Er klettert aus dem Fenster auf den Sims. Mit den Händen am Rahmen sagt er: »Danke.«
    »Das war unser Geheimnis«, antwortet sie. »Das haben wir miteinander geteilt. Nur wir beide.«
    Er nickt. »Ja.«
    »Geh.«
    Schritt für Schritt schiebt Partridge sich über den Sims. Die Südseebrise hat sich gelegt, die übliche statische Luft ist zurückgekehrt. Schließlich setzt er die dünnen Sohlen der polierten Schuhe auf die Feuerleiter und schaut hinab auf den Betonboden.
    Als er den Blick wieder hebt, sieht er ein Gebäude voller Fenster. Kein Einziges ist erleuchtet.

PRESSIA
Sterne
    Pressia geht den Hang zum erleuchteten Wohnheim hinauf. Es ist eine launische Nacht. Sie beschleunigt ihre Schritte, vergräbt das Kinn im Mantelkragen und verschränkt die Arme. Wie früher auf dem Markt klemmt sie die Puppenkopffaust unter die Achsel, wo man sie nicht sieht. Die Verbrennung auf der einen Seite ihres Gesichts schmerzt wie damals, als sie ganz frisch war. Brigid – zur Hälfte schön, zur Hälfte hässlich. Als hätte Willux es vorherbestimmt – und er hat es gewissermaßen vorherbestimmt, indem er sie alle versengt und verstümmelt hat. Und er? Er wurde im Feuer geschmiedet, was auch immer das bedeutet. Er wurde erneuert, im Gegensatz zu den Unglückseligen.
    Sie läuft am Rand des Gebäudes entlang und wirft flüchtige Blicke in die hellen Fenster. Pressia will niemanden ausspionieren, aber sie muss Wilda finden. In einem Zimmer begutachtet ein Soldat einige Papiere. In der Küche, in der so dichter Dunst hängt, dass kaum etwas zu erkennen ist, arbeiten ein paar Leute.
    Irgendwann erreicht sie ein Fenster, das nur schwach erleuchtet ist. Sie sieht ein kleines Bett, einen Stuhl und die offene Tür zum Flur. Ein Wachmann geht auf und ab, auf dem Stuhl döst eine Krankenschwester. Und im Bett liegt Wilda. Ihre Haut wirkt immer noch cremig weiß, doch sie zittert im Schlaf. Die Bettdecke bebt.
    Pressia reißt sich von ihrem Anblick los und lässt sich an der Mauer hinabgleiten, bis sie auf der kalten Erde hockt. Sie weiß, was DNA ist. Wegen ihrer DNA hat sie die Sommersprossen ihrer Mutter und die dunklen, mandelförmigen Augen und das glänzende Haar ihres Vaters. Die Überlebenden wurden verändert, selbst ihr Erbgut wurde gebrandmarkt. Deshalb sind auch Babys, die nach den Explosionen zur Welt kommen, nicht rein. Die Doppelhelix der Schlangen, die DNA – wie hängen sie zusammen?
    Sie blickt in den Himmel, doch die Sterne verlieren sich hinter der Asche. Irgendwo da oben ist das Sternbild Cygnus. Sie wünschte, sie könnte es sehen. Wie es wohl war, die Sterne jede Nacht zu sehen, ganz selbstverständlich? Für Seefahrer waren sie mehr als ein schöner Anblick. Sie orientierten sich an den Sternen, sie navigierten mithilfe unveränderlicher Konstellationen. Früher haben die Leute den Sternen Wünsche geschickt, hat Großvater ihr erzählt, und die hellsten Sterne waren oft gar keine Sterne, sondern Planeten. »20,62, 42,03, NQ4«, flüstert sie in die Nachtluft.
    Pressia richtet sich abrupt auf. Navigation. Die Sterne haben den Menschen den Weg gewiesen. Die Koordinaten 20,62, 42,03, NQ4 schweben nicht nur hoch oben am Himmel – sie können auch Menschen hier auf der Erde lenken. Gibt es einen Kuppelbau, der mit den Koordinaten des Sternbilds Cygnus zusammenhängt? Pressia kann diese Gedanken kaum erfassen, aber vielleicht weiß Bradwell Rat.
    Sie springt auf und läuft den Hang hinunter zur Hütte. Automatisch fängt sie an zu rennen, bis ihr Mantel auffliegt und zu beiden Seiten ihres Rückens flattert wie Flügel. Die Schwanenfrau Brigid auf der Suche nach dem Schwan Cygnus. Für einen

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