Memoiren 1902 - 1945
Versprechen, das ich Herrn Geyer gegeben hatte, zu brechen.
«Sprechen Sie selbst mit Herrn Geyer», war alles, was ich noch sagen konnte. Ungnädig wurde ich entlassen.
Tatsächlich fand zwischen Herrn Klitzsch und Herrn Geyer eine Unterredung statt - erfolglos, wie vorauszusehen war. Herr Geyer war nicht bereit zu verzichten, und ich hatte das ungute Gefühl, nun einen Feind mehr zu haben.
Nun stand ich vor dem schwersten Teil der Arbeit, dem Schnitt des Films. Ein Filmmaterial von 130 000 Metern mußte gesichtet werden, aus dem ich etwa 3000 Meter verwenden wollte. Obgleich Hitler mir keinen Termin für die Fertigstellung des Films gesetzt hatte, so verlangte aber mein Vertrag mit der UFA, den Film spätestens Mitte März des kommenden Jahres abzuliefern. Genau fünf Monate hatte ich zur Verfügung. Für die damalige Filmtechnik, bei der jede Klebestelle mit dem Messer geschabt werden mußte, war das reichlich knapp. Es gab für die Gestaltung dieses Films kein Vorbild, nichts, woran ich mich hätte orientieren können. Ich mußte selber experimentieren, auch hatte ich für diese Arbeiten keine Berater oder sonstige Hilfen außer den Damen, die die Filmstellen klebten und das Material sortierten. Erst für den Tonschnitt hatte ich einen Cutter.
Die Aufgabe erschien beinahe unlösbar. Ich schloß mich von der Außenwelt ganz ab und konzentrierte mich nur auf die Arbeit im Schneideraum. Für niemand war ich zu sprechen, selbst nicht für meine Mutter. Waren es in der ersten Woche «nur» zwölf Arbeitsstunden, wurden es in der zweiten schon vierzehn. Dann folgten täglich sechzehn, und so ging das auch jedes Wochenende und jeden Feiertag.
Schon nach zwei Monaten fühlten wir uns erschöpft. Einige meiner Leute wurden krank, und in den letzten Monaten waren es außer mir nur noch drei Mitarbeiter, die dieses Arbeitstempo durchhielten, Frau Peters, die im Schneideraum tätig war, Wolfgang Brüning, ein aus der Schule entlassener Junge, der die Filmausschnitte beschriftete, sowie unser Fotograf, Herr Lantin, der jede Nacht freiwillig so lange dablieb, bis er Frau Peters und mich um fünf Uhr früh mit meinem Wagen nach Hause fuhr.
Es mag Anfang Dezember gewesen sein, als Waldi Traut, mein engster Mitarbeiter - Produktionsleiter und Prokurist meiner Firma -, der alles von mir fernzuhalten hatte, was die Arbeit unterbrechen würde, mir einen Besuch meldete, den ich empfangen mußte. General von Reichenau und einen zweiten General, dessen Namen ich vergessen habe. Die Herren wollten sich die Aufnahmen der Wehrmacht aus Nürnberg ansehen. Da die Wehrmachtsübungen bei schlechtem Wetter stattgefunden hatten, teilweise sogar bei Regen, hatte ich längst beschlossen, diese Aufnahmen nicht einzuschneiden. Als ich dies Herrn von Reichenau erklärte, ahnte ich nicht, was ich damit anrichtete. Ich wußte nicht, wie groß die Bedeutung war, daß die Wehrmacht 1934 zum ersten Mal an einem Parteitag teilgenommen hatte. Völlig konsterniert sah mich der General an, als ob ich mir mit ihm einen schlechten Scherz erlaubt hätte.
«Sie können doch nicht die Wehrmacht aus dem Film fortlassen wie stellen Sie sich denn das vor?»
Ich versuchte, ihm klarzumachen, daß die Aufnahmen nicht gut genug waren. Sie waren grau und für den Film nicht verwendbar. Der General verlangte sie zu sehen. Ich war erschüttert, daß sie ihm gefielen. «Sind doch wunderbar», sagte er, «ich weiß nicht, was Sie wollen.»
Nun wurde die Sache ernst, denn ich hatte ihm ohnehin nur die schlechtesten Aufnahmen gezeigt. Daß diese ihn sogar entzücken könnten, damit hatte ich nun nicht gerechnet. Er aber bestand dar auf, daß die Wehrmachtsaufnahmen in jedem Fall in den Film hineinkommen müßten. Ich erklärte aber, daß ich sie nicht einschneiden werde.
«Es tut mir leid», sagte General von Reichenau, «dann werde ich mich an den Führer wenden müssen», verabschiedete sich und verließ den Vorführraum. Ich empfand ein großes Unbehagen - das war nicht gut, denn nun hatte ich mir wieder neue Gegner geschaffen. Ich überlegte, ob ich vielleicht doch eine Lösung finden könnte, aber ich kam zu keiner Lösung. Es war mein Fehler, ich war zu kompromißlos - aber ich konnte gegen meine Natur nicht angehen.
Einige Wochen nach diesem Vorfall verständigte mich Brückner, Hitler bitte mich, am ersten Weihnachtsfeiertag nach München zu kommen, er möchte mich in der Wohnung der Familie Heß sprechen. Ich
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