Memoiren 1902 - 1945
Ich werde mein Wort halten. Nach diesem Reichsparteitagfilm können Sie alle Filme machen, die Sie sich wünschen.»
Die Entscheidung war gefallen. Trotz allem überkam mich ein Gefühl der Erleichterung. Der Gedanke, daß ich nach diesem Film ganz frei sein würde und machen könnte, was ich wollte, gab mir einen ungeheuren Auftrieb.
Knapp zwei Wochen standen mir noch zur Verfügung. Das Wichtigste war, in dieser kurzen Zeit die geeigneten Kameraleute zu finden. Ein schwieriges Problem. Die besten waren bei Filmfirmen oder Wochenschauen fest angestellt. Aber ich hatte Glück, daß ich, außer meinem Chefkameramann Sepp Allgeier, den jungen begabten Walter Frentz engagieren konnte. Sie waren für diese neue Art von Dokumentarfilm besonders geeignet. Schließlich bekamen wir doch noch achtzehn Kameraleute zusammen, die alle einen Assistenten erhielten. Von Ruttmann trennte ich mich in Freundschaft.
Eine große Hilfe war Regierungsrat Gutterer. Ihm gelang es innerhalb von 24 Stunden in Nürnberg für uns ein leerstehendes Haus zu möblieren und dort einen Telefonanschluß einzurichten. Jeden Morgen und jeden Abend hielten wir unsere Besprechungen ab. Kiekebusch, unser Aufnahmeleiter, die «Mutter der Kompagnie» genannt, kannte jeden und wußte über alles Bescheid. Zuerst verteilte er die Autos, jeder Kameramann erhielt einen Wagen, dann wurden weiße und rote Zettel für die Windschutzscheiben ausgegeben, die uns freie Durchfahrt durch alle Sperren verschafften, und schließlich bekamen Kameraleute und technisches Personal Armbinden. Die Beleuchter, Kamera- und Tonleute, die Fahrer eingerechnet, war unser Stab auf
170 Personen angewachsen.
Erst jetzt konnte ich mit den Regiebesprechungen beginnen. Jeder Kameramann bekam seine Aufgabe für den kommenden Tag zugeteilt. Ich mußte mir überlegen, mit welchen Mitteln man den Film über das Niveau von Wochenschau-Aufnahmen hinausheben könnte. Es war nicht leicht, aus Reden, Vorbeimärschen und so vielen sich ähnelnden Veranstaltungen einen Film zu machen, der die Zuschauer nicht langweilt. Eine Spielhandlung einzubauen, wäre aber Kitsch. Ich kam auf keine andere Lösung, als die dokumentarischen Ereignisse so vielseitig wie nur möglich aufnehmen zu lassen. Das Wichtigste war, daß die Motive nicht statisch, sondern bewegt aufgenommen wurden. Deshalb ließ ich Kameraleute mit Rollschuhen üben. Mit solchen Effekten arbeitete man damals noch selten. Abel Gance hatte in seinem «Napoleon» als erster die bewegte Kamera erfolgreich eingesetzt - in einem Spielfilm. In Dokumentarfilmen wurden Fahraufnahmen damals noch, nicht gemacht. Das wollte ich versuchen, und so ließ ich an allen möglichen Stellen der Veranstaltung Fahrbahnen und Schienen legen. Sogar an einem 38 Meter hohen Fahnenmast wollte ich einen winzigen Fahrstuhl anbringen lassen, um besonders optische Effekte zu erzielen. Die Stadtverwaltung verweigerte zuerst die Genehmigung, aber durch Albert Speers Hilfe konnte der Fahrstuhl doch an dem Fahnenmast angebaut werden.
Nicht überall erreichten wir, was wir uns vorgenommen hatten. So bauten wir an einem Haus, wo Hitler den Vorbeimarsch abzunehmen pflegte, einen provisorischen Balkon, der zehn Meter lang war, auf dem Schienen gelegt wurden. Von hier hätten wir erstklassige Fahraufnahmen der marschierenden Gruppen bekommen können, aber nur wenige Minuten vor Beginn des Vorbeimarsches wurde die Fahrbahn von SA-Leuten gesperrt. Wir mußten auf Dächer und Fenster ausweichen.
Auch für die Rede Hitlers vor der Hitlerjugend auf dem Märzfeld hatte ich mir etwas Besonderes einfallen lassen und mit großer Hartnäckigkeit auch durchgesetzt. Um die eintönigen Einstellungen der zahlreichen Reden aufzulockern, ließ ich rings um das Rednerpult runde Schienen legen. Die Kamera konnte so, während Hitler sprach, in gebührender Entfernung um ihn herumfahren. Auf diese Weise entstanden neue, lebendige Bildwirkungen.
Die Atmosphäre in unserem Arbeitsstab war sehr angenehm, unangenehm war, was uns bei unserer Arbeit begegnete. Die Zusicherung, es würde mir diesmal leichter gemacht, erwies sich als ein großer Irrtum. Boykott und Widerstand waren womöglich noch stärker. Nicht einer der Wochenschauleute kümmerte sich um meine Anweisungen, vor allem machten uns die Leute an den Sperren die größten Schwierigkeiten. Einmal warfen SA-Leute unseren Tonwagen in einen Graben, dann wurden Fahrbahnen abmontiert und mir sogar der Zu gang zu
Weitere Kostenlose Bücher