Memoiren 1902 - 1945
als auf Ruttmanns Aufnahmen zu verzichten und nur während des Parteitags in Nürnberg zu drehen. Auch Ruttmann sah das jetzt ein.
Nach vielen Versuchen konnte ich Heß endlich erreichen. Im Gegensatz zum vorigen Jahr war er diesmal liebenswürdig und zeigte Verständnis für meine Ablehnung. Er sagte mir zu, mit Hitler darüber zu sprechen und mir dann Bescheid zu geben.
Nach zwei Tagen rief Heß wieder an. Er bedauerte, daß er nichts bei Hitler ausrichten konnte. Hitler sei verärgert gewesen, daß ich mit den Vorbereitungen noch nicht angefangen hätte, denn schon in zwei Wochen beginne der Parteitag. Ich bat Heß, mir zu sagen, wo ich Hitler erreichen könnte. Ich mußte ihn unbedingt persönlich sprechen, um ihn noch einmal zu bitten, mich nicht zu dieser Arbeit zu zwingen. Heß sagte, der Führer sei in Nürnberg, um das Parteitagsgelände zu besichtigen.
Eine Stunde danach saß ich im Wagen und jagte nach Nürnberg. Ich hatte nur einen Gedanken, mich von dieser Arbeit zu befreien. Am Nachmittag fand ich Hitler, er war auf dem Parteitagsgelände, umgeben von einer Gruppe von Männern, darunter Speer, Brückner und Hoffmann. Als ich auf ihn zuging, kam es mir so vor, als sei ihm
offenbar klar, was ich von ihm wollte.
Nach der Begrüßung sagte er freundlich, aber ernst: «Vom Parteigenossen Heß weiß ich, warum Sie mich sprechen wollen. Ich kann Ihnen versichern, daß Ihre Besorgnis unbegründet ist, Sie werden dieses Mal keine Schwierigkeiten haben.»
«Das ist nicht alles, mein Führer. Ich fürchte, ich kann diesen Film nicht machen.»
Hitler: «Warum können Sie ihn nicht machen?»
«Die ganze Materie ist mir fremd, ich kann nicht einmal die SA von der SS unterscheiden.»
«Das ist doch gut so, dann sehen Sie nur das Wesentliche. Ich wünsche keinen langweiligen Parteitagsfilm, keine WochenschauAufnahmen, sondern ein künstlerisches Bilddokument. Die dafür zuständigen Männer der Partei verstehen dies nicht. In Ihrem ‹Blauen Licht› haben Sie bewiesen, daß Sie es können.»
Ich unterbrach Hitler: «Das war kein Dokumentarfilm, woher soll ich wissen, was politisch wichtig und unwichtig ist, was gezeigt werden muß und was nicht? Wenn ich aus dieser Unkenntnis diese oder jene Persönlichkeit im Film nicht zeige, werde ich mir viele Feinde schaffen.»
Hitler hörte aufmerksam zu, dann sagte er lächelnd, aber mit Bestimmtheit: «Sie sind zu sensibel. Diese Widerstände bestehen nur in Ihrer Einbildung. Machen Sie sich keine Sorgen, und lassen Sie sich doch nicht so bitten, es sind doch nur sechs Tage, die Sie mir schenken sollen.»
«Sechs Tage», unterbrach ich Hitler, «es sind Monate, denn die Hauptarbeit beginnt doch erst im Schneideraum. Aber unabhängig von der Zeit», sagte ich bittend, «könnte ich nie die Verantwortung für eine solche Arbeit übernehmen.»
Hitler eindringlich: «Fräulein Riefenstahl, Sie müssen mehr Vertrauen zu sich haben. Sie können und Sie werden diese Arbeit schaffen.» Das klang fast wie ein Befehl.
Ich sah ein, daß ich Hitlers Widerstand nicht brechen konnte. Nun wollte ich wenigstens versuchen, möglichst gute Arbeitsbedingungen zu erreichen. Ich fragte ihn: «Werde ich völlige Freiheit bei der Arbeit haben, oder könnten mir von Dr. Goebbels und seinen Leuten Vorschriften gemacht werden?»
Hitler: «Ausgeschlossen, die Partei wird keinen Einfluß auf Ihre Arbeit ausüben, das habe ich mit Dr. Goebbels besprochen.»
«Auch finanziell nicht?»
Hitler sarkastisch: «Wenn die Partei den Film finanzieren sollte, dann würden Sie das Geld erst erhalten, wenn der Parteitag vorbei ist. Die Parteistellen erhielten von mir Anweisungen, Sie und Ihre Leute zu unterstützen.»
«Wird mir ein Termin gesetzt, bis wann der Film fertig sein muß?»
Hitler schon ungeduldig: «Nein, Sie können ein Jahr daran arbeiten oder mehrere, Sie sollen unter keinem Zeitdruck stehen!»
Nachdem ich meinen Widerstand aufgegeben hatte, wagte ich zum Schluß noch eine Bitte: «Ich werde es versuchen, aber ich werde es nur können, wenn ich nach Beendigung dieser Arbeit frei bin und keine Auftragsfilme mehr machen muß. Das wäre eine Belohnung. Verzeihen Sie mir diese Bitte. Aber ich möchte nicht leben, wenn ich meinen Beruf als Schauspielerin aufgeben müßte.»
Hitler, sichtlich zufrieden, daß ich nachgegeben hatte, nahm meine beiden Hände und sagte: «Ich danke Ihnen, Fräulein Riefenstahl!
Weitere Kostenlose Bücher