Memoiren 1902 - 1945
Ihnen ohne Zweifel Sondervollmachten einräumen. Er hat mich beauftragt, Ihnen dieses Angebot zu machen. Er ist wie ich von Ihren Fähigkeiten überzeugt. Lassen Sie mich Ihnen bitte Material zusenden, damit Sie sich einmal ein Bild über die kommenden Spiele machen können.»
Ich schüttelte den Kopf: «Abgesehen davon, daß ich mir beim besten Willen bei einer solchen Fülle von Wettkämpfen keinen Film vorstellen kann», wiederholte ich, «habe ich mir geschworen, unter keinen Umständen noch einmal einen Dokumentarfilm zu machen.» Diem, offenbar von meiner Weigerung noch immer nicht überzeugt, sagte zum Abschluß dieses Gesprächs: «Aber ich darf Sie doch dem Kanzler des IOC vorstellen, er wird in den nächsten Tagen nach Berlin kommen.»
«Gern», sagte ich und verabschiedete mich.
Das Essen mit dem Kanzler des IOC und Dr. Diem fand in einem Restaurant in der Nähe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche statt. Beide Herren schwärmten vom «Blauen Licht» und versuchten auch sonst, mir mit allen möglichen Versprechungen ihr Projekt des Olympiafilms schmackhaft zu machen. Ich fühlte mich nicht imstande, ihnen eine Zusage zu geben. Ich bat um Bedenkzeit.
Aber mehr, als mir lieb war, beschäftigte mich diese Idee. Ich fing an, darüber nachzudenken, wie man die Aufgabe anpacken könnte, und sah nur Schwierigkeiten. Eine Lösung, wie man aus den zahllosen olympischen Disziplinen einen Film machen könnte, der nicht nur künstlerisch, sondern auch sportlich und international befriedigen würde, sah ich nicht. So beschloß ich, mit Fanck über das Problem zu sprechen. Vielleicht könnte er als ein Meister des Dokumentar- und Sportfilms diese Aufgabe übernehmen.
Fanck hatte 1928 in St. Moritz mit den besten Kameramännern einen Film über die Olympischen Winterspiels gemacht. So anziehend und schön die Aufnahmen in der glitzernden Winterlandschaft auch wirkten, sein Film war kein Erfolg.
Fanck lehnte meine Frage, ob er nicht an diesem Olympiafilm interessiert wäre, brüsk ab. «Wenn mein Winterolympiadefilm schon keinen Erfolg hatte», sagte er, «dann erst recht nicht einer über die Sommerspiele. Die Wettkämpfe in der Winterlandschaft sind doch viel reizvoller als alles, was sich im Stadion oder in Hallen abspielt.»
Ich mußte ihm recht geben, aber ich wollte mehr von ihm wissen. «Nehmen wir mal an», fragte ich hartnäckig, «du müßtest den Film machen, wie würdest du ihn dir denn vorstellen können?»
Fanck dachte eine Weile nach, dann sagte er: «Ich sehe drei Möglichkeiten. Einmal als einen abendfüllenden Film, der nur nach ästhetischen und künstlerischen Wirkungen zusammengestellt wird, eine Impression von Bewegungen und Elementen verschiedener Sportarten. Diese Form hätte allerdings keinen dokumentarischen Wert, da es unmöglich wäre, in zwei Stunden auch nur die wichtigsten Sportarten unterzubringen. Es würde die unbrauchbarste Form sein. Eine andere Möglichkeit wären vielleicht sechs abendfüllende Großfilme und die dritte, die ich für die geeignetste halte, würden richtige Reportagefilme sein, ohne jedes künstlerische Format. Die müßten spätestens sechs Tage nach Schluß dieses Mammutunternehmens in Kinos vorgeführt werden und wären höchstens bessere Wochenschauen.»
Das klang ebenso überzeugend wie entmutigend.
«Schade», sagte ich, «daß du den Versuch nicht machen willst. Wer weiß, wann wir jemals eine Sommerolympiade wieder nach Deutschland bekommen.»
«Nein», sagte Fanck entschieden, «das tue ich mir nicht an.» Er rechnete mir mit der Stoppuhr und der derzeitigen Weltrekordtabelle vor, wie lange jede einzelne Sportdisziplin dauert, und konnte damit die Länge der Filmmeter schätzen. Dabei kam die zehnfache Zeit heraus, die für einen Film zur Verfügung stand.
Langsam begann mich die Idee zu fesseln. Von den drei Möglichkeiten, die Fanck sah, käme für mich keine in Frage - sechs Großfilme hätten keinen Verleiher gefunden, und Reportagefilme zu machen, war für mich indiskutabel. Die Wochenschauen würden Sonderfilme herausbringen, was schließlich auf dasselbe hinausliefe.
Aber sollte es in der Tat nicht doch eine Möglichkeit geben, die Olympische Idee und die wichtigsten Olympischen Kämpfe in einem Film zu vereinen?
Ohne es noch erklären zu können, nahm die Vorstellung, wie dieser Film aussehen müßte, Konturen an. Plötzlich sah ich, wie die alten Ruinen der klassischen
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