Memoiren 1902 - 1945
genug, darauf einzugehen, obwohl ich ihn noch immer liebte. So schwer es mir auch fiel, ich brach die Beziehung ab.
Es dauerte eine Woche, bis ich Spazierengehen konnte, zwei weitere, bis ich mir die Skier anschnallte. Erst nach einem Monat war ich in der Lage, Skitouren zu machen.
Es muß Ende April gewesen sein, als mich ein junges, mir unbekanntes Mädchen aus Berlin besuchte.
Mit Tränen in den Augen sagte sie: «Verzeihen Sie diesen Überfall, ich heiße Evelyn Künneke - ich flehe Sie an, helfen Sie mir und meinem Vater.» Ich versuchte, das aufgeregte Mädchen zu beruhigen. Es erzählte mir, daß es sogar seinen Schmuck verkauft oder versetzt habe, um sich die Fahrkarte nach Davos leisten zu können.
«Womit kann ich Ihnen helfen?» fragte ich das Mädchen.
«Mein Vater», schluchzte sie, «will sich das Leben nehmen, er darf nicht mehr arbeiten - er wurde aus der Reichsfilmkammer ausgeschlossen.» Künneke, fiel mir ein, war doch der bekannte Komponist beliebter Operetten.
«Wurde er aus rassischen Gründen aus der Filmkammer ausge
schlossen?»
Sie nickte und sagte verzweifelt: «Nur Sie können helfen, Sie kennen doch Dr. Goebbels!»
«Das hilft uns nicht», sagte ich, «denn Dr. Goebbels ist mir nicht wohlgesonnen. Ich will es trotzdem versuchen.»
Ich ließ eine Platte Bündnerfleisch und einen Schoppen Wein kommen und bemühte mich, dem Mädchen Mut zu machen. Dann schrieb ich an Dr. Goebbels einen Brief. Ich bat ihn, das Arbeitsverbot des Komponisten, das bei Bekanntwerden im Ausland einen internationalen Skandal auslösen würde, aufzuheben.
Ich hatte wenig Hoffnung, daß meine Zeilen Erfolg haben würden, sagte dies aber Fräulein Künneke nicht. Sie wollte den Brief persönlich im Propagandaministerium abgeben. Ich bat sie, mich von dem Ergebnis zu benachrichtigen, und sagte ihr beim Abschied, ich würde mich erst an Hitler wenden, wenn dieser Versuch erfolglos bliebe. Aber schon nach wenigen Tagen bekam ich von Evelyn Künneke einen überschwenglichen Dankesbrief. Auf Veranlassung von Goebbels war das über ihren Vater verhängte Arbeitsverbot aufgehoben worden.
Am Nachmittag des 1. Mai kamen mehrere Glückwunschtelegramme. Der «Triumph des Willens» hatte den Nationalen Filmpreis erhalten. Auch Hitler schickte ein Telegramm. Die Freude über diese Auszeichnung konnte die hinter mir liegenden Intrigen und Strapazen auch nicht annähernd ausgleichen.
Mit dem Skilaufen kehrten langsam meine Kräfte zurück. Da alle Bahnen und Skilifte den Betrieb eingestellt hatten, ging ich mit einigen meiner Mitarbeiter und Davoser Skifreunden zu Fuß auf die Berge - ein gutes Training.
Zweimal im Lauf eines Vormittags stiegen wir, unsere Skier auf den Schultern tragend, über die Stufen der Parsennbahn bis zum Weißfluhgipfel hinauf - eine Höhendifferenz von 1300 Metern. Um bei der zweiten Abfahrt noch guten Schnee zu haben, mußten wir schon um zehn Uhr wieder auf dem Gipfel sein. Nun konnten wir noch einmal, ehe wir im Schnee einbrachen, die herrliche Abfahrt über das Meierhoftäli nach Wolfgang machen. Bei einer dieser steilen Schußfahrten blieb mein Fuß an einem wenig verschneiten Stein hängen, ich wirbelte in mehreren Saltos durch die Luft, spürte einen starken Schmerz: Der rechte Arm war ausgekugelt. Trotzdem konnte ich, nachdem er im Davoser Hospital wieder eingerenkt und durch eine Schlinge gehalten wurde, noch so lange Ski laufen, bis der Schnee im Mai zu schlecht geworden war. Ich fuhr nach Hohenlychen, einer Spezialklinik für zerbrochene Knochen. Nach vier Wochen wurde ich geheilt entlassen.
In der Berliner Oper
Z u meiner Überraschung fand ich zu Haus in der Post eine persönliche Einladung von Goebbels zu einer festlichen Premiere in der Städtischen Oper Berlins. Ich glaube, «Madame Butterfly» wurde gegeben. Wahrscheinlich wollte sich der Minister mit mir als «Trägerin des Nationalpreises» in der Öffentlichkeit zeigen, um den Gerüchten über die zwischen uns bestehende Feindschaft entgegenzutreten. Vielleicht hatte Hitler ihn aus solchen Gründen dazu veranlaßt.
In der Mittelloge des Theaters wurde ich von Magda Goebbels und ihm begrüßt. Er bot mir den Platz zu seiner Rechten an. Seine Frau saß mit dem italienischen Botschafter Cerrutti hinter uns. Links neben dem Minister saß sein Adjutant, Prinz Schaumburg-Lippe. An diese Sitzordnung erinnere ich mich so genau, weil wir fotografiert wurden und das Foto
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