Memoiren 1902 - 1945
Olympia-Stätten langsam aus Nebelschwaden herausblenden und die griechischen Tempel und Plastiken vorbeiziehen, Achilles und Aphrodite, Medusa und Zeus, Apollo und Paris, und dann erschien der Diskuswerfer des Myron. Ich träumte, wie er sich in einen Menschen aus Fleisch und Blut verwandelt und in Zeitlupentempo beginnt, den Diskus zu schwingen - die Statuen verwandelten sich in griechische Tempeltänzerinnen, die sich in Flammen auflösen, das Olympische Feuer, an dem die Fakkel entzündet und vom Zeustempel bis in das moderne Berlin von
1936 getragen wird - eine Brücke von der Antike bis zur Neuzeit. So erlebte ich visionär den Prolog meines Olympiafilms.
Nachdem ich diese Bildvision fast greifbar nahe vor Augen sah, faßte ich den Entschluß, den Film zu machen, zur Freude von Professor Diem und Otto Mayer, dem Kanzler des IOC.
Es mußte aber die finanzielle Seite geklärt werden. Nur, wenn es gelingen sollte, eine unabhängige Finanzierung zu erreichen, würde ich die Arbeit übernehmen. Zunächst versuchte ich es bei der UFA. Trotz des vorausgegangenen Zerwürfnisses mit Generaldirektor Klitzsch war ich optimistisch. Die UFA hatte mit «Triumph des Willens», der auf der Biennale in Venedig mit der Goldmedaille ausgezeichnet worden war, einen großen Erfolg erzielt. So zeigten sich die Herren der UFA nicht uninteressiert. Sie stellten aber die Schicksalsfrage: «Was hat denn dieser Film für eine Handlung?»
«Ich kann mir in diesem Film keine Handlung vorstellen. Der Olympiafilm ist nur als reiner Dokumentarfilm möglich.» Darunter konnten sich die UFA-Leute nun überhaupt nichts vorstellen. Allen Ernstes machten sie den Vorschlag, es müßte eine Liebesgeschichte eingebaut werden. Nachdem es mir nicht gelang, die Herren von meiner Vorstellung zu überzeugen, war das Gespräch für mich erledigt.
Nun versuchte ich es bei der Konkurrenz. Das war die «Tobis», die ebenfalls in Berlin ihren Sitz hatte. Ich kannte dort niemand. Als ich anrief, wurde ich mit Friedrich Mainz, dem Chef der Firma, verbunden. Erhörte interessiert zu, als ich ihm von dem Olympia-Filmprojekt erzählte. Er fragte, ob er mich nicht sofort sprechen könnte. Ich war verblüfft. Kurze Zeit danach war er schon in der Hindenburgstraße.
Wir kamen sehr schnell, ohne jegliche Umstände und ohne abgeschmackte Liebesgeschichte, zu einem ungewöhnlichen Ergebnis. Mainz hatte, anders als die UFA, die große Chance dieses Films erkannt. Er akzeptierte meinen Vorschlag, daß der Film aus zwei Teilen bestehen müßte. Nach langen Überlegungen war ich zu diesem Schluß gekommen, nur dann würde es gelingen, die wichtigsten Wettkämpfe zu zeigen.
Ein so versierter Filmproduzent wie Friedrich Mainz konnte sich auf Grund seiner Erfahrungen auch ein ungefähres Bild über die Kosten eines solchen Projektes machen. Was aber entscheidend war: Er wußte, daß ein solcher Film erst lange nach den Olympischen Spielen fertiggestellt und vorgeführt werden könnte. Sein bedingungslo ses Vertrauen überraschte mich. Er war von dem Gelingen dieses Films so überzeugt, daß er mir schon bei dieser ersten Unterredung für die Herstellungskosten beider Teile des Films eine Garantie von 1 500 000 RM - für die damalige Zeit ein sensationeller Betrag, den es in Deutschland für einen Dokumentarfilm noch nie gegeben hatte.
Als der Propagandaminister erfuhr, daß ich mit der «Tobisfilm» einen Vertrag über einen Olympiafilm abgeschlossen hatte, ließ er mich in sein Ministerium kommen. Anders als vor zwei Jahren, wie er wutentbrannt geschrien hatte, er wolle mich am liebsten die Treppe hinunterschmeißen, begrüßte er mich dieses Mal kühl und distanziert. Er stellte verschiedene Fragen, vor allem, wie ich mir den Film vorstellte und wieviel Zeit ich für seine Fertigstellung benötigen würde. Als ich sagte, der Film werde aus zwei Teilen bestehen, und daß ich bei der Riesenfülle an Material mit einer Arbeitszeit von eineinhalb Jahren rechnete, schaute er mich verblüfft an und brach in ein Gelächter aus: «Wie stellen Sie sich denn das vor?» fragte er ironisch. «Glauben Sie denn, daß sich nach zwei Jahren noch irgend jemand einen Olympiafilm ansehen wird? Das ist doch einfach ein Witz und kann doch nicht Ihr Ernst sein.» Ich wurde unsicher und versuchte nun Goebbels meine Vorstellungen über die Gestaltung des Films zu erklären. Er machte eine Handbewegung, als wollte er meine nichtsnutzigen, törichten Gedanken
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