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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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daß es keineswegs, wie ich gehofft hatte, väterliche Gefühle waren, die er für mich empfand. Ich entzog mich ihm und ließ ihn verstehen, daß er das bleiben lassen sollte.
      Kurz vor Weihnachten konnte ich an eine Reise denken. Ich sollte nach Freiburg kommen, wo Dr. Fanck in seinem Atelier Probeaufnahmen von mir machen wollte. Vor diesen Aufnahmen hatte ich Angst, denn davon hing es ab, ob ich in der Tat die weibliche Hauptrolle des Films erhalten würde.

      Ich schminkte mich, wie ich es von meinen Bühnenauftritten gewohnt war. Ein Stein fiel mir vom Herzen, als Dr. Fanck erklärte, seine Darsteller müßten darauf verzichten, sich zurechtzumachen. Er wolle natürliche Gesichter haben, keine Filmgesichter. Als ich mich am nächsten Tag das erste Mal auf einer Leinwand sah, war ich niedergeschmettert. Die Enttäuschung, die viele Filmschauspieler erleben, blieb auch mir nicht erspart. Ich kam mir fremd und häßlich vor. Die Probeaufnahmen wurden wiederholt, und zu meiner Überraschung waren sie diesmal gelungen. Den Grund dafür erklärte mir Dr. Fanck. Die Veränderung sei durch eine andere Beleuchtung entstanden. Hier lernte ich zum ersten Mal, welche entscheidende Rolle das Licht für den Film spielt. Man kann ein Gesicht, auch ein ungeschminktes, allein durch die Lichtführung um Jahre jünger oder älter machen.
      Der Regisseur war mit den neuen Aufnahmen zufrieden.
      Ich erhielt einen Vertrag mit einer Stargage von 20000 Mark. Außerdem stellte mir die UFA während der ganzen Zeit der Aufnahmen einen Pianisten zur Verfügung und, nicht genug damit, ließ sie auch ein Klavier auf die Berghütten hinauftransportieren, in denen wir wochenlang hausen müßten, damit ich neben der Filmerei mein Tanztraining, das ich wieder aufgenommen hatte, nicht unterbrechen mußte. Ich hatte nach glücklich verlaufener Operation keinen Augenblick mehr daran gedacht, meine Karriere als Tänzerin aufzugeben. Ich wollte nur in diesem einen Film mitwirken, um die Bergwelt, besonders die von Dr. Fanck, kennenzulernen.
      Für die Aufnahmen war eine Zeit von drei Monaten vorgesehen.

    Trenker und Fanck

    D r. Fanck lud mich ein, einige Tage in Freiburg zu bleiben, bis zur Ankunft seines männlichen Hauptdarstellers, Luis Trenker. Mit ihm wollten wir das Filmprojekt durchsprechen. Inzwischen lernte ich im Hause von Dr. Fancks Mutter seine ungewöhnlich reiche, interessante Bibliothek kennen, in der fast kaum ein Dichter, Schriftsteller oder Philosoph von Rang und Namen nicht zu finden war. Außerdem war es schon ein ästhetischer Genuß, die Bücher in die Hand zu nehmen, die meisten waren kunstvoll in Leder gebunden.
      Dr. Fancks Schwester war eine sehr talentierte Buchbinderin. Sie entwarf später die Titel für seine Filme, auf die der stumme Film nicht verzichten konnte, wenn er die Handlung dem Zuschauer ver ständlich machen mußte. Außer der Bibliothek besaß Fanck auch eine Vielzahl von Originalzeichnungen und Radierungen moderner Künstler vorwiegend sozialistischer Themen wie Käthe Kollwitz, George Grosz und anderer. Dr. Fanck wurde für mich mein geistiger Lehrer. Als Filmregisseur war er ein krasser Außenseiter. Sein eigentlicher Beruf war Geologe. Er hatte an der Universität in Zürich studiert. Zur gleichen Zeit wie Lenin, mit dem er in Verbindung gekommen war. Seine Neigungen galten den Bergen und der Fotografie.
      Als Kind war er immer krank. Er litt an schwerem Asthma und mußte, wie er mir erzählte, das Gehen immer wieder neu erlernen. Mit elf Jahren wurde er nach Davos geschickt und dort von Stund an gesund. Dies hatte ihn so bewegt, daß er sich die Berge zu seiner Welt schuf. Er kam nach Zuoz im Engadin in die Schule und blieb dort bis zum Abschluß. Seine freie Zeit verbrachte er mit Skilaufen, Bergsteigen und Fotografieren. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs war er sechsundzwanzig und bis Kriegsende bei der Abwehr tätig, wo er mit der berühmten deutschen Spionin «Mademoiselle Docteur» zusammenarbeitete. Nach Kriegsende gründete er in Freiburg mit Freunden die «Freiburger Berg- und Sportfilm Gesellschaft», für die er seine ersten berühmt gewordenen Dokumentarfilme machte: «Der Kampf mit dem Berg» - «Die Wunder des Schneeschuhs» und deren zweiter Teil «Die Fuchsjagd im Engadin». Das Neue an diesen Filmen war, daß sie keine eigentliche Handlung hatten, aber trotzdem durch eine damals revolutionäre, phantastische Fotografie und eine raffinierte Schnitt-Technik

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