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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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spannender waren als viele Spielfilme. Auf diesem Gebiet war er ein Pionier. Auch war er der Erste, der Zeitraffung und Zeitlupe zum filmischen Gestaltungsmittel machte.
      Das Brodeln der Wolken, das Ziehen des Sonnenlichts und die wandernden Schatten über Bergkuppen und Felswände konnte man zum ersten Mal nur in seinen Filmen sehen. Den Erfolg mußte er sich schwer erkämpfen. Kein Verleih war bereit, seine ersten Filme zu übernehmen. Niemand in der Branche hielt einen Erfolg für möglich - eine spannende Geschichte war für den Film unabdingbar. Fanck aber glaubte an seine Arbeit. Er mietete sich Säle und führte die Filme selbst vor. Der große Erfolg gab ihm recht. Sogar die UFA bot ihm plötzlich 300 000 Mark für einen Bergfilm, allerdings nur, wenn er eine Handlung enthalten würde. So entstand «Der heilige Berg».
      Ich lernte Dr. Fanck immer näher kennen. Meine Hochachtung und Bewunderung für ihn als genialen Filmpionier und geistvolle Persönlichkeit war groß, aber als Mann übte er auf mich nun einmal keine Wirkung aus.
      Es beunruhigte mich, daß Fanck sich von Tag zu Tag mehr in mich verliebte. Er überhäufte mich mit Geschenken, wertvoll gebundenen Büchern, besonderen Ausgaben von Hölderlin und Nietzsche, Holzschnitten von Käthe Kollwitz und Graphiken zeitgenössischer Künstler wie Zille und George Grosz. Er akzeptierte meine unveränderte Ablehnung nicht. Sein Verhalten bedrückte mich. Ich spürte, wie sehr er meine Nähe suchte und wie nervös er wurde, wenn ich ihm auswich. Deshalb wollte ich bis zum Beginn der Aufnahmen zurück nach Berlin, aber Fanck bat mich, noch bis zur Ankunft meines Partners Trenker zu bleiben.
      Beinahe hätte ein neuer Unfall meine Mitarbeit am Film verhindert. Soviel verschiedenartigen Sport ich auch betrieben hatte, noch nie war ich auf einem Fahrrad gesessen. In Freiburg hatte fast jeder ein Rad. Eines Morgens überraschte mich Fanck mit einem neuen Geschenk - ein Fahrrad. Wir schoben unsere Räder die Straße hinauf zu einem der hübschen stillen Aussichtsplätze über der Stadt, ich glaube, er hieß «Schau ins Land». Dort oben wollte Fanck mir das Radfahren beibringen. Ich versuchte mit leidlichem Erfolg einige Runden, und alle amüsierten sich, weil ich mich nicht sehr geschickt anstellte. Die Lenkstange gehorchte mir nicht, und jeder Baum zog mich an. Plötzlich drehte sich mein Rad der steil abfallenden Straße zu, und mit Schrecken stellte ich fest, daß es mir nicht gelang zu bremsen. Im Gegenteil wurde die Fahrt immer schneller, die Gefahr, aus den Kurven herausgeschleudert zu werden, immer größer. Hinter mir hörte ich Fancks entsetzte Stimme: «Bremsen, bremsen!»
      Da mir das nicht glückte, versuchte ich wenigstens, den Fahrzeugen auszuweichen, die nach oben fuhren, was mir auch wie durch ein Wunder gelang. Als ich dann unten in den belebten Straßen ankam, war das Unglück nicht mehr aufzuhalten. Zwischen vielen Autos mich durchlavierend, fuhr ich pfeilgerade auf einen großen, von zwei schweren Pferden gezogenen Bierwagen zu und lag im nächsten Augenblick mit meinem Rad unter den Pferdebäuchen.
      Erst in Fancks Villa kam ich wieder zu Bewußtsein. Zum Glück war ich mit einer leichten Gehirnerschütterung und Hautabschürfungen davongekommen. Von diesem Vorfall ist mir eine heftige Abneigung gegen das Radeln geblieben.
      Am nächsten Tag kam Luis Trenker an, er hatte schon erfahren, daß ich seine Partnerin werden würde. Anders als im «Hotel Karersee» war er aufgeschlossen, lustig und voller Mutterwitz. Wir verstanden uns vom ersten Augenblick an so gut, als wären wir schon seit Jahren befreundet. Dr. Fanck holte einige besondere Weine aus seinem Keller, die wir der Reihe nach probieren sollten. Für mich ein Risiko, da ich Alkohol nur in kleinen Mengen vertrage. Ein Glas Bier genügt,, um mich müde zu machen. Aber ich war so glücklich, mit Fanck und Trenker zusammenzusein, über unseren Film zu sprechen, daß ich übermütig vor Freude die «Weinprobe» vom Anfang bis zum Ende mitmachte.
      Es war schon nach Mitternacht, als Fanck uns mit Champagner animierte, Brüderschaft zu trinken und auf das Gelingen unseres Films anzustoßen. Als er dann für ein paar Augenblicke aus dem Zimmer ging, umarmte mich Trenker und küßte mich. War es der Champagner, war es die Freude auf die kommende Arbeit oder die bloße Atmosphäre unseres Zusammenseins, ich weiß nur, daß ich zum ersten Mal beseligt in den Armen eines

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