Memoiren 1902 - 1945
Mannes lag, beherrscht von einem mir bisher unbekannten Gefühl. Als Fanck zurückkam und uns in dieser Situation sah, starrte er uns wie versteinert an. Sein Gesicht war fahl geworden. Ich löste mich von Trenker und fühlte bestürzt, daß irgend etwas geschehen war, das unser Vorhaben gefährdete. Würde mein Traum, im «Heiligen Berg» zu spielen, zerstört werden? Einen Augenblick lang war die Stille unerträglich. Trenker stand auf und sagte: «Es ist spät, gehen wir, ich bringe Leni in ihr Hotel.»
Fanck: «Nein, ich bringe Leni in den ‹Zähringer Hof›.»
Trenker, froh, sich zurückziehen zu können, sagte, indem er meine Hand drückte: «Bevor ich morgen nach Bozen fahre, komme ich in der Früh zu dir.»
Am liebsten wäre ich mit ihm gegangen, aber mein aufkommendes Mitleid mit Fanck ließ dies nicht zu. Kaum waren wir allein, brach Fanck zusammen und schluchzte, das Gesicht in den Händen vergrabend. Aus den kaum verständlichen, zusammenhanglosen Worten erfuhr ich, wie tief seine Zuneigung zu mir war, in welche Hoffnungen er sich schon hineingeträumt hatte, wie furchtbar ihn meine Umarmung mit Trenker verwundet hatte. Ich versuchte, ihn zu trösten. Er streichelte meine Hände und sagte: «Du - meine Diotima.»
Dies war der Name meiner Rolle im «Heiligen Berg». Er erhob sich, reichte mir den Mantel und sagte: «Ich bring dich in dein Hotel, du mußt ausruhen - verzeih mir.»
Schweigend gingen wir durch die Straßen - die Luft war kalt und feucht. Plötzlich, an einer kleinen Brücke, blieb Fanck stehen, er stieß einen dumpfen Schrei aus und lief die Böschung zum Fluß hinunter. Er wollte hineinspringen. Ich warf meine Arme um seinen Hals und versuchte verzweifelt, ihn zurückzuhalten. Ich rief um Hilfe. Fanck war schon bis über die Hüfte im Wasser, und meine Kräfte reichten nicht aus, ihn herauszuziehen. Aber ich hielt seinen Kopf wie eine Zange in meinen Armen eingeklemmt. Dann hörte ich Schritte und Rufe. Nun ging alles ganz schnell. Männer zogen Fanck aus dem Wasser, er schüttelte sich vor Kälte, ließ aber alles mit sich geschehen. Mit einem Taxi brachten wir ihn in das Freiburger Krankenhaus. Er hatte Fieber und phantasierte. Ich durfte bei ihm bleiben, bis er einschlief. Niedergeschlagen und unsagbar traurig, fuhr ich in mein Hotel. Was würde geschehen? Was sollte ich tun? Unter diesen Umständen konnte der Film nicht zustande kommen. Alles Fragen ohne Antworten. So quälte ich mich die wenigen Stunden bis zum Morgen.
In der Früh klopfte es an meiner Tür. Als ich sie öffnete, stand Trenker vor mir. Ich ließ ihn eintreten. Einen Augenblick schauten wir uns verlegen an, dann legte er seine Arme um mich, und ich begann zu schluchzen. Ich erzählte ihm, was ich in der Nacht mit Fanck erlebt habe.
«Der spinnt», sagte Trenker aufgebracht, «er wird schon wieder zu sich kommen. Ich kenne ihn, er hat schon einmal, während der Filmarbeiten beim ‹Berg des Schicksals», schwer gesponnen.»
«Und unser Film?»
Trenker zuckte die Achseln. «Abwarten», sagte er, «er wird sich beruhigen». Da klopfte es heftig an der Tür, die ich leichtsinnigerweise nicht verschlossen hatte. Sie ging auf, und Fanck trat ins Zimmer. Wie ein Rasender stürzte er sich auf Trenker, der, stärker als Fanck, ihn packte. Doch Fanck war wie von Sinnen, riß sich los und schlug wild auf Trenker ein. Nun begann ein brutaler Kampf, der immer heftiger wurde. Ich versuchte, die beiden zu trennen, bat und flehte, sie sollten aufhören - vergebens. Ich lief zum Erkerfenster, öffnete es und schwang mich auf das Fensterbrett, als wollte ich mich aus dem Fenster stürzen. Das hatte schließlich Erfolg. Die Männer beendeten den Kampf, Trenker nahm mich in seine Arme und Fanck verließ das Zimmer.
Mit dem nächsten Zug reiste ich nach Berlin, ohne Fanck noch einmal gesehen zu haben. Ich war überzeugt, nun sei alles zerstört, aber meine Angst war unbegründet. Schon bald nach meiner Ankunft trafen von Fanck Blumen ein und Briefe von Trenker und Fanck. Mein Regisseur schien sich damit abgefunden zu haben, daß ich ihn nur als Künstler verehrte.
Trotzdem brauchte man kein Prophet zu sein, um zu ahnen, daß es bei den Dreharbeiten zu Schwierigkeiten kommen würde. Meine Sorge vertiefte sich noch mehr, als ich erfuhr, Sokal, von dem ich seit unserer Auseinandersetzung in Zürich nichts mehr gehört hatte, habe sich mit 25% bei der UFA an der Finanzierung des Films
Weitere Kostenlose Bücher