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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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«Der Heilige Berg» beteiligt und habe außerdem noch die «Berg- und Sportfilm Gesellschaft» von Dr. Fanck mit der dazugehörigen Kopieranstalt in Freiburg gekauft. Fanck hatte mir von diesen Transaktionen Sokals nichts erzählt. Meine Angst, es würde bei dieser Filmarbeit noch eine Menge Überraschungen geben, steigerte sich.
      Inzwischen waren die Vorbereitungen soweit gediehen, daß die Aufnahmen mit mir Anfang Januar in der Schweiz, in Lenzerheide, beginnen sollten. Jetzt wurde mir erst bewußt, daß ich ja keine Ahnung vom Skilaufen hatte. Zu dieser Zeit, vor fast sechzig Jahren, war das noch kein Volkssport wie heute. Damals fuhren nur wenige Leute Ski. Ich wollte mich aber vor Fanck nicht blamieren und kam deshalb auf den Gedanken, heimlich Unterrichtsstunden bei Trenker zu nehmen, der, vor den eigentlichen Dreharbeiten, in den Dolomiten noch Aufnahmen mit dem Kameramann Schneeberger machen sollte. Fanck durfte von meinem Vorhaben nichts erfahren. Ich fuhr nach Cortina, wo die beiden arbeiteten. Noch nie hatte ich Berge im Schnee gesehen. Die tief verschneiten Tannenwälder erweckten in mir Kindheitserinnerungen. Die Winterlandschaft war atemberaubend schön.
      Trenker und Schneeberger waren bereit, mir Unterricht zu geben. Es wurden Skier und Stöcke ausgesucht. Den ersten Versuch wollten wir am Falzaregopaß machen. Nachdem man mir das Wenden im damaligen Stil gezeigt hatte, wobei ich mehr am Boden lag als stand, durfte ich eine kleine Schußfahrt riskieren. Ich ließ die Skier den flachen Hang hinuntergleiten, und ich genoß das Gefühl des Dahinschwebens, bis ich merkte, daß meine Fahrt schneller wurde - ich wollte bremsen, schaffte es aber nicht, der Hang wurde steiler, meine Fahrt schneller und schneller, bis ein Sturz mich zum Stoppen brachte. Ich lag tief im Schnee vergraben und versuchte, mich herauszuwühlen. Trenker und Schneeberger waren bereits da und halfen mir. Verdammt - ich fühlte in meinem linken Fuß stechende Schmerzen ich konnte nicht mehr, stehen. Kein Zweifel, der Fuß war gebrochen. Was für ein Unglück! Was sollte ich denn nur Fanck sagen? In wenigen Tagen sollten in der Lenzerheide die wichtigsten und auch die kostspieligsten Aufnahmen des Films gemacht werden. Auf dem vereisten See waren phantastische Eispaläste gebaut worden. Sie verschlangen ein Drittel des ganzen Etats.
      Trenker fuhr hinab nach Cortina, um einen Schlitten zu holen. Es wurde dunkel und bitter kalt. Schneeberger nahm mich auf den Rükken und watete durch den Schnee. Es stürmte, meine Knöchel schmerzten. Immer wieder brachen wir durch die Schneedecke ein und stürzten, so daß wir es schließlich aufgaben und frierend auf den Schlitten warteten. Mich quälte bittere Reue.
      Am nächsten Morgen wurde in Cortina das Bein in Gips gelegt. Beide Knöchel am linken Fuß waren gebrochen. Ein Rekord: Fünf Brüche innerhalb eines Jahres. Ich stand Höllenqualen aus, weil ich mit schwersten Vorwürfen von Fanck rechnen mußte, der noch keine Ahnung hatte, was mir zugestoßen war. Mit Auto und Eisenbahn fuhren wir nach Lenzerheide. Von Chur aus verständigten wir unseren Regisseur telefonisch. Was eigentlich geschehen war, erfuhr er erst an der Bahn, als er uns abholte. Er wurde bleich. Der Film stand und fiel mit mir. Was sollte werden, wenn ich ausscheiden müßte? Am See konnten wir erst den Umfang der Katastrophe ganz ermessen. Die Eisbauten, ungefähr fünfzehn Meter hoch, waren fertig. Wochenlang hatte sie der Frost geformt. Die Aufnahmen hätten sofort beginnen können - und ich lag in Gips. Wir waren verzweifelt.
      Es kam noch schlimmer - Föhnwetter zog auf -, und in sechs Tagen war die ganze Pracht, das Werk vierwöchiger Arbeit, geschmolzen. Nur die Skelette standen auf dem noch zugefrorenen See. Schon zog die nächste Katastrophe herauf. Hannes Schneider, der im Film ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen hatte, rutschte bei einer Skitour über eine vereiste Stelle ab und blieb mit vierfachem Oberschenkelbruch liegen. Wochenlang schwebte er in Lebensgefahr. Also konnten die Szenen, in denen er mitwirkte, nicht gedreht werden. Als ob es damit noch nicht genug wäre, schied auch Ernst Petersen aus, ein Neffe Dr. Fancks, neben Trenker die zweite Hauptrolle. Bei einer wilden Skiaufnahme war er über einen verschneiten Stein, unmittelbar vor der Kamera, gestürzt, wurde fünfzehn Meter weit durch die Luft gewirbelt und landete mit einem gebrochenen Fuß. Und schließlich, es war geradezu

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