Memoiren 1902 - 1945
nur so aus mir heraus.
«Im nächsten Film spiele ich mit», sagte ich mit einer Sicherheit, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt.
Trenker schaute mich verdutzt an, fing an zu lachen und sagte: «Ja, könn’s denn klettern? Ein so feines Fräulein wie Sie hat doch nichts in den Bergen zu suchen.»
«Ich werde es lernen, ich werde es bestimmt lernen - ich kann es auch, wenn ich es unbedingt will.» Wieder spürte ich einen stechenden Schmerz im Knie, der mich aus meiner Euphorie riß und ernüchterte. Über Trenkers Gesicht huschte ein ironisches Lächeln. Mit einer Grußbewegung wandte er sich von mir ab.
Ich rief ihm nach: «Wie kann ich Sie brieflich erreichen?»
Er rief zurück: «Trenker, Bozen, das genügt.»
Nach meiner Rückkehr nach Berlin schrieb ich ihm sofort einen Brief, in dem ich bat, die beiliegenden Fotos und Zeitungsausschnitte an Dr. Fanck weiterzuleiten. Voller Ungeduld wartete ich auf eine Antwort von Trenker oder Dr. Fanck. Aber ich wartete vergeblich.
Über Günther Rahn, Nothelfer in allen Lebenslagen, erfuhr ich, daß Dr. Fanck in nächster Zeit aus Freiburg, seiner Heimatstadt im Schwarzwald, nach Berlin kommen würde, um mit der UFA Verhandlungen über seinen neuen Film zu führen. Nun ließ ich Günther nicht mehr in Ruhe. Er selbst kannte Dr. Fanck nicht, aber ein guter Freund von ihm, Dr. Bader, hatte als Skiläufer in Fancks sensationellem Sportfilm «Die Wunder des Schneeschuhs» mitgewirkt. Tatsächlich brachte Günther eine Zusammenkunft zwischen Dr. Fanck und mir zustande.
An einem sonnigen Herbsttag betrat ich die Konditorei Rumpelmeyer am Kurfürstendamm. Dort sollte ich den Regisseur treffen. Ein Erkennungszeichen war nicht verabredet. Meine Blicke durchstreiften das Lokal, und ich glaubte, Dr. Fanck zu erkennen. Ein Mann mittleren Alters saß allein an einem runden Tisch und löffelte in einer Tasse.
«Verzeihen Sie, sind Sie Dr. Fanck?» sagte ich und trat an ihn heran.
Er stand auf und fragte seinerseits: «Und Sie Fräulein Riefenstahl?»
Wir setzten uns, und ich eröffnete die Unterhaltung. Anfangs war ich noch durch die Schüchternheit Dr. Fancks gehemmt, aber langsam wurde ich lebhafter und geriet immer mehr ins Schwärmen. Dr. Fanck saß mir stumm gegenüber, die Augen fast immer auf seine Kaffeetasse gerichtet. Nur einmal richtete er eine Frage an mich. Er wollte wissen, womit ich mich beschäftigte. Also hatte Trenker ihm meine Bilder und meinen Brief nicht geschickt, Dr. Fanck wußte über mich nichts. Zögernd begann er zu erzählen. Er sollte einen Film für die UFA drehen, hatte aber noch kein Thema. Ich wagte nicht, ihn um eine Rolle zu bitten, sagte nur, daß ich bei seinem nächsten Film so gern dabei sein möchte - wenn auch nur als Zuschauerin.
Dann verabschiedeten wir uns. Er bat mich, ihm Bilder und Kritiken von den Tanzabenden zu senden, und ich gab ihm meine Adresse. Dann stand ich wieder allein auf dem Kurfürstendamm. Es war sieben Uhr abends. In mir tobte es wie in einem Vulkan. Aber eine Ahnung sagte mir, daß sich etwas Schicksalhaftes entwickeln würde. Die Schmerzen in meinem Knie, die sich noch immer nicht gebessert hatten, zwangen mich nach dieser Begegnung zu sofortigem Handeln. Keine Stunde durfte ich mehr verlieren. Da fiel mir Dr. Pribram ein. Ich hatte ihn im Tennisclub «Rot-Weiß» kennengelernt, ein junger Chirurg und Assistenzarzt bei dem berühmten Professor Bier. Schon einige Male hatte ich mit ihm über meine Beschwerden gesprochen. Er hatte mir versprochen, eine Röntgenaufnahme von meinem Knie zu machen. Neben der Konditorei stand eine Telefonzelle. Ich versuchte, Dr. Pribram zu erreichen, der aber noch in der Klinik war und nicht gestört werden durfte.
Mit einem Taxi fuhr ich dorthin, um ihn vor dem Heimweg abzufangen. Ich bestürmte ihn, noch am gleichen Abend die Röntgenaufnahmen zu machen. Er lehnte ab. Ich bat, weinte, flehte, bis er schließlich einwilligte. Endlich erhielt ich Gewißheit. Seine Diagnose nach dem Röntgenfilm war, daß sich im Meniskus durch einen Riß eine wahlnußgroße Knorpelwucherung gebildet hatte, die nur durch eine Operation zu entfernen war. Aber damals machte man noch keine Meniskusoperationen, und Dr. Pribram sowie sein Chef waren hauptsächlich auf Gallensteinoperationen spezialisiert. Nun wußte ich endlich, wie es mit meinem Knie bestellt war, und ich wollte keine Stunde mehr bis zur Operation verlieren. Wie ich es
Weitere Kostenlose Bücher