Memoiren 1902 - 1945
nach meiner Überzeugung völlig überflüssig. Aber da war mit Fanck nicht zu reden. Ich war froh, als wir diese Aufnahmen hinter uns hatten.
Es folgten noch andere unangenehme Szenen, in denen wir stundenlang in eiskalten Gebirgsbächen zu spielen hatten. Auch verlangte Fanck, daß ich, nur mit einem Hemdchen bekleidet, durch den Karersee schwimmen sollte - bei einer Temperatur von sechs Grad. Aber unser Regisseur wollte diesen romantischen, in Grüntönen schimmernden See in seinen Film einbeziehen.
So fesselnd, ja aufregend für mich das Zusammenarbeiten mit Fanck in den Bergen war, so wenig befriedigte es mich als Künstlerin. Die lange Produktionszeit dieser schwierigen Filme und die wenigen Spielszenen darin, die auch zeitlich weit auseinander lagen, konnten keine künstlerische Aufgabe sein. Als Tänzerin war jeder Tag ausgefüllt gewesen, nicht nur mit dem Training, sondern ebenso mit dem Erfinden neuer Tänze. Mein Regisseur kannte meinen Kummer, er wollte mir helfen und versuchte, mir auch andere Rollen zu verschaffen. Aber er hatte damit keinen Erfolg, und ich auch nicht. Von allen Seiten hörten wir das gleiche. Die Riefenstahl ist doch Bergsteigerin und Tänzerin. Unter diesem Vorurteil litt ich maßlos. Eine schwere Zeit begann für mich, in der ich sogar den Versuch machte, Filmmanuskripte zu schreiben.
Mein erster Stoff hieß «Maria», eine Liebesgeschichte mit tragischem Ende. Eigentlich hatte ich diesen Stoff für mich geschrieben und ihn auch niemandem gezeigt, nicht einmal Schneefloh, mit dem ich zusammenlebte und sehr glücklich war. Meine Zuneigung hatte sich langsam entwickelt, war dann aber intensiver geworden und wurde schließlich so stark, daß wir uns nicht mehr trennen konnten. Obgleich Schneeberger sieben Jahre älter war als ich, ließ er sich gern führen, er war der passive, ich der aktive Partner. Unser Zusammenleben war harmonisch. Wir liebten die Natur, den Sport und vor allem unseren Beruf. Wir waren keine Stadtmenschen und mochten weder Parties noch gesellschaftliche Verpflichtungen. Am glücklichsten waren wir, wenn wir allein sein konnten.
Abel Gance
D ie Welt des Films erweiterte meinen Gesichtskreis. So begegnete
ich vielen eindrucksvollen Menschen, von denen ich die meisten nicht gekannt hatte. Ich denke da vor allem an Regisseure und Kameraleute wie Lupu Pick, G. W. Pabst und insbesondere an Abel Gance. Er war ein großartiger Regisseur und außerdem auch ein sympathischer Mann. Nie zeigte er, im Gegensatz zu einigen seiner berühmten Kollegen, Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit und hatte doch mit seinem viele Stunden dauernden «Napoleon» einen sensationellen Erfolg errungen. Nicht nur die neuartige Technik dieses Films hatte ihn so berühmt gemacht - erstmals wurden Szenen mit drei Kameras aufgenommen und mit drei Projektoren vorgeführt -, sondern seine künstlerische Pionierarbeit schlechthin. Ich hatte seinen Triumph im UFA-Palast miterlebt und den Erfolg mit ihm gefeiert. Daß dieser Film nun nach sechzig Jahren eine ganze Generation von Zuschauern begeistern konnte, ist ein Beweis, daß sein Regisseur zu den Großen der Filmgeschichte gehört. Die Neuaufführung «Napoleon» ist dem englischen Regisseur Kevin Brownlow zu verdanken, einem Bewunderer von Abel Gance, der das jahrzehntelang verschwundene Filmmaterial auffand und Sequenz für Sequenz wieder restaurierte.
Nach der glanzvollen Premiere in Berlin lud mich Abel Gance nach Paris ein und versuchte, dort einen Film mit mir zu machen. Aber trotz seiner Erfolge konnte er für die Themen, die ihm vorschwebten, keine neuen Geldgeber finden. Doch unsere Freundschaft überdauerte sogar den Zweiten Weltkrieg. Während der Kampf um Stalingrad tobte, schickte Abel Gance mir 1943 eine Kopie seines zuletzt entstandenen Films «J’accuse» - Ich klage an. Der Film war eine leidenschaftliche Anklage gegen den Krieg und hinreißend gestaltet. Seinen Wunsch, zu veranlassen, daß der Film Hitler vorgeführt werde, konnte ich ihm nicht erfüllen. Abgesehen davon, daß Hitler, soweit ich damals informiert war, seit Kriegsbeginn sich überhaupt keine Filme mehr angesehen haben soll, hätte ich auch keine Möglichkeit gehabt, ihm diesen Wunsch vorzutragen. Das konnte ich nicht einmal, als es um das Leben meines einzigen Bruders ging. Er war auf Grund gewissenloser Verleumdungen denunziert und zeitweise in eine Strafkompanie versetzt. An der Ostfront wurde er durch eine Granate zerfetzt.
Kurz
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