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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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wegschmolz, immer höher hinaufgezogen bis nach Zürs. Dort filmten wir so lange, bis auf den Wiesen Krokusse durch den Schnee brachen. Nun ging es an die Sommeraufnahmen.
      Fanck hatte inzwischen seinen Wohnsitz gewechselt. Er war von Freiburg nach Berlin gezogen und hatte am Kaiserdamm, nur wenige Minuten von meiner Wohnung entfernt, eine schöne Villa mit Garten gemietet. Hier richtete er sich auch seinen Schneideraum ein, der ganz anders war als alle Schneideräume, die ich kannte. An den Wänden standen Gestelle mit großflächigen, durchleuchteten Opalglasscheiben, durch die man die vielen Filmstreifen, die daran hingen, gut sehen konnte, was die Arbeit sehr erleichterte. Später habe ich dieses System übernommen, was für mich beim Schneiden meiner Filme eine große Hilfe war.
      Eines Tages sagte Fanck zu mir: «Leni, jetzt fährst du, während ich die Winteraufnahmen schneide, mit unserem Oberkletterer und Oberskiläufer Floh in die Dolomiten und läßt dich im Klettern eintrainieren, verstanden?»
      Und ob ich einverstanden war. Mit Schneefloh verband mich schon lange eine Freundschaft, und seit Beginn der Aufnahmen in Stuben war daraus Liebe geworden. Wir wurden unzertrennlich. Fanck und Sokal mußten sich damit abfinden.
      Trotzdem bekam ich von Fanck noch immer Liebesbriefe und für mein Tanzstudio sogar einen Flügel zum Geschenk. Es kam mir so vor, als ob weder Fanck noch Sokal an eine längere Verbindung zwischen Schneeberger und mir glaubten. Ein Irrtum, wie sich herausstellen sollte.
      Als wir uns von Fanck verabschiedeten, sagte er zu mir: «Vor allem mußt du barfuß klettern, wie es die Rolle vorschreibt.»
      Da hatten wir einen neuen, ungewöhnlichen Auftrag unseres Regisseurs, der, entgegen seiner sonstigen Sanftmut, keinen Widerspruch duldete.
      Unser Fahrzeug nach den Dolomiten war eine «Motoguzzi» - ein Motorrad mit Beiwagen. Wir waren beide sportlich, und die Fahrt machte uns bis auf einen kleinen Zwischenfall riesigen Spaß. Als wir vom Karerpaß hinabfuhren, löste sich mein Beiwagen, und ich rollte allein die Paßstraße hinunter. Zum Glück verlief das harmlos, ich kippte nur in einen Graben.
      Als Ausgangspunkt für unsere Kletterübungen hatten wir die Sellajochhütte gewählt. Vor dem Langkofel lagen Steinblöcke jeder Größe. Mit Leidenschaft begann ich zu klettern. Zuerst noch mit Schuhen. Es machte mir nicht nur großen Spaß, es fiel mir auch so leicht, als hätte ich das schon lange getan. Durch das Tanztraining war mein Gleichgewichtsgefühl ausgebildet, und durch den Spitzentanz hatte ich Kraft in den Zehen. Schneefloh war mit meinen Fortschritten so zufrieden, daß er vorschlug, eine richtige Klettertour zu versuchen. Er wählte dafür die Vajolette-Türme aus.
      Als ich vor diesen Felsen stand, schien es mir undenkbar, die hohen, senkrechten Wände hinaufzuklettern. Fassungslos sah ich oben an der Dellagokante zwei Menschen, klein wie Ameisen. Von unten war der Anblick furchterregend, aber Schneefloh ließ mir nicht lange Zeit zum Überlegen - er band mir ein Seil um den Leib, und wenige Minuten später stand ich schon in der Wand. Anfangs hütete ich mich, nach unten zu schauen, aber der Fels war griffig, und es fiel mir nicht so schwer, wie ich es mir vorgestellt hatte.
      Ich kam immer besser voran und verlor dabei jede Angst. Wir stiegen langsam und ununterbrochen. Auf einem schmalen Band rasteten wir. Hier versuchte ich zum ersten Mal in die Tiefe zu sehen schwindlig wurde mir nicht, aber lange mochte ich nicht hinunterschauen. Dann ging es weiter, durch kleine Kamine, mit Traversen und über schmale Bänder. Ziemlich bald waren wir bereits oben, und glücklich stand ich auf meinem ersten Gipfel. Ein wunderbares Gefühl, so frei, so weit und den Wolken so nahe. Es folgten weitere Touren, schwierigere, bei denen es schon vorkam, daß ich glaubte, nicht weiterzukönnen. Aber jedesmal, wenn wir es geschafft hatten, freute ich mich schon auf die nächste Tour. Ich lernte Überhänge erklettern, Haken ein- und ausschlagen, steile Wände traversieren. Das Abseilen machte mir besonderen Spaß.
      Nun mußten wir mit dem Barfußtraining beginnen - kein Spaß, denn an dieses haarscharfe Dolomitengestein würden sich meine Fußsohlen nie gewöhnen. Auch wochenlanges Barfußgehen in den
Felsen und das tägliche Klettern ohne Schuhe konnten nicht verhindern, daß später, als die Aufnahmen begannen, meine Füße bluteten. Es war eine Schinderei und

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