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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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rauh und aufgeregt.
      «Leni, ist meine Frau bei dir? Hast du sie gesehen, hat sie dich angerufen?» Er wartete kaum mein Nein ab und rief in den Apparat: «Sie ist nicht mehr zurückgekommen, ich kann sie auch nirgends finden.» Dann legte er auf.
      Am Abend kam er zu mir und weinte sich aus. Er trank einen Cognac nach dem anderen. Immer wieder versicherte er, seine Ehe sei bis zu dieser Begegnung mit Ruttmann ungetrübt, ja ausgesprochen glücklich gewesen. Er konnte das ungeheuerliche Verhalten seiner Frau nicht verstehen. Er glaubte an einen Zauber und daß sie zurückkommen würde, er wollte ihr alles verzeihen, nur sollte sie wiederkommen. Aber sie kam nicht zurück. Sie meldete sich auch nicht bei mir. Ich hatte längst versucht, Ruttmann zu erreichen, aber es meldete sich niemand.
      Ungefähr vierzehn Tage kam der verzweifelte Remarque fast täglich zu mir. Dann teilte er mir unerwartet mit, er könne es in Berlin nicht mehr aushaken, er werde vielleicht eine Kur machen, in jedem Falle wollte er fort. Danach hat er sich nie mehr bei mir gemeldet. Auch von seiner Frau habe ich jahrelang nichts mehr gehört.
      Einige Zeit nachdem mich Remarque zum letzten Mal besucht hatte, es können wenige Wochen gewesen sein, las ich in der Zeitung, daß Frau Ruttmann Selbstmord verübt hatte, sie war aus dem Fenster gesprungen.
      Später erfuhr ich aus der Presse von Remarques großen Erfolgen. Schon Ende kommenden Jahres, im November 1928, erschien «Im Westen nichts Neues». Zunächst im Vorabdruck in der «Vossischen Zeitung», ein Jahr später als Buch im Propyläen-Verlag. Ein Sensationserfolg. Schon nach drei Monaten waren mehr als 500 000 und noch vor Ablauf des Jahres 900 000 Bücher verkauft. Das hatte es noch nie gegeben. Natürlich war ich begierig, den Roman, der zu Teilen in meiner Wohnung bearbeitet und geschrieben worden war, zu lesen - damals hatte ich keine Zeile davon gelesen. Wie hätte ich ahnen können, daß Remarque, der als fast unbekannter Journalist für «Sport im Bild» arbeitete, so weltberühmt werden würde. Sein Roman war erschütternd. Er erzählte realistisch das Leben der Soldaten an der Westfront, ohne ein Wort der Beschönigung. Als dann
    1930 der gleichnamige Film, der in Amerika produziert wurde, auch in Deutschland zur Aufführung kam, gab es Demonstrationen. Sie waren so gut organisiert, daß der Film, wie ich erfuhr, schon im Dezember dieses Jahres in verschiedenen Ländern nicht mehr gezeigt werden durfte.
      Ich hatte ihn bei der Erstaufführung im Berliner Mozartkino am Nollendorfplatz gesehen und miterlebt, mit welchen Mitteln die Vorführung gestört wurde. Plötzlich brach im Kino ein Geschrei und eine Panik aus - ich dachte zuerst, es sei Feuer ausgebrochen. Mädchen und Frauen standen kreischend von den Sitzplätzen auf. Die Vorführung wurde abgebrochen und erst, als ich mich schon auf der Straße befand, hörte ich von Umstehenden, daß ein Dr. Goebbels, dessen Namen ich nicht einmal kannte, mit Hunderten weißer Mäuse, die im Kino nach Beginn der Vorführung losgelassen wurden, die Panik veranstaltet hatte. Aus Zeitungen war zu erfahren, daß Remarque schon
    1929 in die Schweiz gegangen war und 1939 nach den USA emigrierte. Am 2.5. September 1970 starb er in Locarno.
      Es mag in den siebziger Jahren gewesen sein, als mich Frau Remarque in München anrief. Es tat uns beiden leid, daß es nicht zu einer Wiederbegegnung kam. Ich war gerade im Aufbruch nach Afrika.
    Die weiße Arena

    U m Depressionen und Schwermut zu verdrängen, trieb ich viel Sport und Gymnastik. «Der große Sprung» war überraschend erfolgreich, aber trotzdem trat für mich eine Pause ein. Fanck konnte anschließend keinen Spielfilm machen; er hatte ein Angebot aus der Schweiz angenommen, die Olympischen Winterspiele 1928 in St. Moritz zu verfilmen. Da er Schneeberger als Kameramann verpflichtete und ich ohne Arbeit war, fuhr ich mit und erlebte dort als Zuschauerin meine erste Olympiade.
      Diese Veranstaltung wurde für mich zu einem großen Erlebnis. Schon diese traumhaft schöne Landschaft des Engadin als Rahmen der damals noch jungfräulichen Olympischen Spiele war wie das Bühnenbild eines «Wintermärchens».
      Unter dem überwältigenden Eindruck, den diese Spiele auf mich machten, schrieb ich damals meinen ersten kleinen Zeitungsbericht. Der Berliner «Film-Kurier» hatte mich darum gebeten. Um die Stimmung dieser aufregenden Tage wiederzugeben, die ich mit der

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