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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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vorlas, von einem der einflußreichsten Filmkritiker Berlins, Dr. Roland Schacht, verfaßt, war ich erschüttert. Sein Bericht gab getreulich alles wieder, was Trenker in der Pressekonferenz über uns an Gift verspritzt hatte. Auch seine «ölige Ziege» fehlte nicht.
      Ich war empört. Soviel Gemeinheit hätte ich Trenker nicht zugetraut. Auch Fanck war außer sich. Besonders, als diese Kritik bei der UFA wie eine Bombe einschlug. Obgleich die meisten Journalisten Lobeshymnen schrieben und der Film ein Kassenschlager wurde, hatte diese abfällige Kritik des sehr angesehenen Dr. Schacht bei den Herren der UFA starkes Mißtrauen gegen Fanck und mich gesät. Das ging so weit, daß die UFA am liebsten den neuen Vertrag mit ihm aufgelöst hätte. Nun wollte sie wenigstens das Risiko verringern und mit Fanck keinen so teuren Film mehr riskieren. Das «Wintermärchen» war so hoch kalkuliert wie «Metropolis», der teuerste Film, den die UFA bisher gemacht hatte. Deshalb bat man Fanck, für eine billigere Produktion, die höchstens die Hälfte kosten durfte, ein neues Drehbuch zu schreiben.

    Ausschnitt aus der ersten Seite einer umfangreichen Presseschau
zu Leni Riefenstahls erstem Film

      Nachdem Fanck den ersten Schock überwunden hatte und durch die Kassenrekorde, die «Der Heilige Berg» brachte, getröstet wurde schrieb er in erstaunlich kurzer Zeit ein neues Buch mit dem Titel «Der große Sprung». Das Thema war so ziemlich das Gegenteil des «Wintermärchens» - ein Lustspiel aus den Bergen, beinahe eine Burleske. Ich sollte darin eine Ziegenhirtin spielen, und da Humor eine der positiven Seiten meines Regisseurs war, hatte er Dr. Schacht zuliebe vorgesehen, daß mich im Film auch eine kleine Ziege begleiten sollte.

    «Der große Sprung»

    B evor ich Dr. Fanck zusagte, ob ich die weibliche Hauptrolle in seinem neuen Film übernehmen würde, mußte ich mich nun endgültig und ganz rasch entscheiden: Tanz oder Film. Einer der schwersten Entschlüsse, die ich jemals zu treffen hatte. Ich wählte den Film und unterschrieb den Vertrag.
      Und der Tanz? Der Unfall und die lange Pause hatten mich doch sehr zurückgeworfen, und mit vierundzwanzig Jahren glaubte ich schon zu alt zu sein, um die verlorenen zwei Jahre wirklich einholen zu können. Das hat den Ausschlag gegeben. Damals dachte man so über Jugend und Alter.
      Wahrend Fanck die Vorbereitungen für seinen Film traf, hatte ich mir in einem Neubau in Berlin-Wilmersdorf eine Dreizimmer-Wohnung gemietet. Sie lag im fünften Stock, hatte einen Dachgarten und ein großes Atelier, in dem ich sogar Tänze einstudieren konnte. Ich war überglücklich, nun eine eigene Wohnung zu haben. Überschattet wurde diese Freude dadurch, daß Harry Sokal die andere Wohnung, die auf derselben Etage lag, für sich mietete. Ein Zeichen, daß er mich noch immer nicht aufgegeben hatte. Auch hatte er am Film so großen Gefallen gefunden, daß er eine eigene Firma gegründet hatte und verschiedene erfolgreiche Filme produzierte. Seine bekanntesten waren «Der Golem», mit Paul Wegener, und «Der Student von Prag», mit Dagny Servaes, Werner Krauss und Conrad Veidt - jeder von ihnen ein großer Künstler.
      Im «Großen Sprung» sollte Fancks Kameramann Schneeberger die Hauptrolle übernehmen. Er wehrte sich mit Händen und Füßen, aber das half ihm nicht. Keiner außer ihm wäre imstande, die schwierigen akrobatischen Kunststücke auszuführen, die Fanck seinem Hauptdarsteller zugedacht hatte. Schneefloh mußte sich für unseren Film opfern.
      Und es wurde ein Opfer im wahrsten Sinne des Wortes. Was dem
    armen Schneefloh alles abverlangt wurde, war toll. In einem aufgeblasenen Gummianzug, den die lustige Rolle von ihm verlangte, mußte er die schwersten Skiabfahrten machen, über steile Hänge und Hütten springen und dabei noch immer so tun, als könnte er gar nicht skilaufen. Wenn er nach den täglichen Aufnahmen seinen Gummianzug ablegte, dampfte er wie ein Rennpferd, und obwohl er an sich schon hager genug war, verlor er nach und nach noch zwanzig Pfund an Gewicht.
      Trotz der heftigen Spannungen zwischen Fanck und Trenker kam es doch noch einmal zu einer Zusammenarbeit - zu einer letzten. Ich hatte Fanck gebeten, ihm doch wenigstens irgendeine Rolle zu geben. Fanck war nicht nachtragend und ließ ihn einen Bauernburschen spielen, was Trenker auf den Leib geschrieben war.
      In Stuben am Arlberg hatten wir mit den Skiaufnahmen begonnen und waren, als der Schnee

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