Memoiren 1945 - 1987
sehr sie Philip liebte. Freimütig erzählte sie, wie glücklich sie sei, daß sie mit ihrem Vermögen Philip helfen konnte, «Das blaue Licht» zu produzieren. Ich war sprachlos. Soll
te er diese Frau nur geheiratet haben, um seinen Traum vom «Blauen Licht» verwirklichen zu können? Ich traute es ihm zu.
Am Abend vor dem Presseempfang feierten wir den Pariser Erfolg. Aber wieder einmal kam es anders, als wir gehofft hatten. Als Philip mir am kommenden Tag die Journalisten vorstellte, weigerte sich einer, mir die Hand zu geben. Mit einem Ausdruck tiefer Verachtung sagte er: «Ich kann einer Person, deren Hände mit Blut befleckt sind, nicht die Hand reichen.»
Ein anderer rief mir zu: «Warum haben Sie Hitler nicht getötet?»
Das war grausam. Die Pressekonferenz mußte abgebrochen werden.
Nicht nur ich hatte einen Schock erlitten, auch Philip. Diese immer wieder angeheizte Hetze widerte ihn so an, daß er vorschlug, unser schönes Filmprojekt auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Auch er konnte diese nie endenden Angriffe nicht länger ertragen und wollte Europa verlassen.
«Weit fort von hier», sagte er «bis ich das alles verdaut habe.» Er verließ London und flog allein nach Tahiti.
Inzwischen war auch die Vorführung der Olympiafilme im «Curzon Cinema» verhindert worden. Mr. Wingate, der den Vertrag in der Anwaltskanzlei «Crowe» unterzeichnet hatte, war nicht erreichbar. Wie Monsieur Gamble in Paris, war auch er, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, ins Ausland gereist, angeblich an die Riviera. Alle an ihn gerichteten Briefe des englischen Anwalts kamen als unzustellbar wieder zurück.
Rückblick
E nde 1960 zog ich eine Bilanz über die fünfzehn Jahre, die seit Kriegsende vergangen waren. Drei Jahre hatte ich in Lagern und Gefängnissen, vier Monate in einer Irrenanstalt verbracht. Beschlagnahme meiner Vermögenswerte, Entnazifizierung, Prozesse und die Zerstörung meiner beruflichen Existenz schlossen sich an. Alle meine Filmprojekte, «Die roten Teufel», «Die schwarze Fracht» und zum zweiten Mal nun auch «Das blaue Licht», waren vereitelt worden.
Wie sollte dieses Leben weitergehen? Gab es noch irgendeine Hoffnung für mich? In den USA hatte ich Freunde, gute Menschen, die mir mit Care-Paketen und kleinen Geldbeträgen immer wieder
geholfen hatten, obgleich sie weder mich noch meine Mutter kannten. Sie waren auch nicht wohlhabend und führten ein bescheidenes Leben in New York, wo der eine als Handwerksmeister, der andere als Dentist seinen Lebensunterhalt verdiente. Zu Weihnachten hatten sie mir tausend Mark geschickt, eine für die damalige Zeit große Summe, damit ich gegen Alexandrov, der inzwischen in Paris gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, weiter prozessieren konnte. In meinem Dankesbrief hatte ich geschrieben, ich betrachte diesen Betrag als Darlehen, nicht als Geschenk. Ich kannte einige sehr reiche Menschen in Deutschland, die über Millionen verfügten und die sich meine Freunde nannten. Aber keiner von ihnen hat mir in meiner Notlage geholfen. Hilfe erhielt ich nur von Menschen, die selbst nicht viel besaßen.
Seit Monaten lebte ich wieder in schwersten Abwehrkämpfen, eine Flutwelle schmutziger Verleumdungen überschüttete mich. Mein Leben wurde von Tag zu Tag unerträglicher. Verfolgung und Verehrung, Bewunderung und Haß umgaben mich im Wechsel. Meine Mutter und ich fühlten uns wie ein auf Treibjagd eingezingeltes Wild, das in jedem Fall früher oder später erlegt werden würde. Das wußten wir, und darum war unser Leben von unerträglicher Düsterkeit und Schwermut erfüllt. Oft fragte ich mich, wozu das alles? Warum müssen wir leben, um zu vegetieren — ein so ehrloses, quälendes Leben. Die Kräfte verließen mich mehr und mehr, die Aussichten, meinen Beruf je wieder ausüben zu können, wurden immer unwahrscheinlicher, meine Feinde immer mächtiger und ihre Lügen immer niederträchtiger. Seit Kriegsende lebte ich nicht, ich kroch im dreckigen Schlamm menschlicher Gemeinheiten umher. Nur die Sorge um meine Mutter hielt mich noch aufrecht, und im Gegensatz zu mir wollte sie leben und war so unfaßbar tapfer.
Flucht in die Berge
F ür einige Zeit war ich wieder in die Berge geflüchtet. Da ich wußte, daß meine Mutter am glücklichsten in meiner Nähe war, nahm ich sie mit. Sie hatte im letzten Jahr fünfzig Pfund abgenommen, und es bestand Verdacht auf Krebs. Gemeinsam bewohnten wir bei einem Skilehrer in St. Anton
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