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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Porträts von Eingeborenen aus dem Südsudan. Das gab mir den Anstoß, mein Anliegen vorzubringen.
      Auf einer großen Landkarte zeigte er mir den Nil. Der Sudan, das größte Land Afrikas, ist zehnmal so groß wie die Bundesrepublik, aber nur dünn besiedelt. Die Grenzen des Sudan haben die Engländer gezogen, die bis Ende 1955 dieses Land als Kolonialgebiet verwaltet haben. Um diese Grenzen hat es und gibt es immer noch Unruhen und Kämpfe. Die in den südlichen Provinzen des Sudan lebenden Eingeborenen sind keine Moslems, sie haben ihre eigenen Naturreligionen oder sind durch Missionare Christen geworden. Aber noch schwerwiegender als diese religiösen Gegensätze zwischen Nord und Süd wirkt sich wohl der Umstand aus, daß noch bis in unser Jahrhundert hinein viele der Südsudanesen von Arabern als Sklaven an südarabische Länder verkauft wurden. Darin sah ich den Hauptgrund für das unüberbrückbare Mißtrauen zwi
schen Nord und Süd. Bei den immer wieder aufflammenden kriegerischen Auseinandersetzungen war es auch zu gefährlich, ohne Polizeischutz im Südsudan zu reisen. Die Engländer hatten die südlichen Provinzen zu «closed districts» erklärt, in die man nur mit einer Sondergenehmigung der sudanesischen Regierung einreisen durfte. Diese Genehmigung mußte ich versuchen zu bekommen. Nach einigen Stunden intensiver Unterhaltung war es soweit. Unser Nil-Projekt machte auf Sayed Ahmed Abu Bakr einen so starken Eindruck, daß er versprach, mir diese Drehgenehmigung zu geben, wenn auch mit einigen Auflagen: Wir durften nie allein reisen, immer mußte uns ein Polizist oder Soldat begleiten. Auch war es nicht erlaubt, unbekleidete Menschen zu filmen oder zu fotografieren.
      Ich war überglücklich, als ich die Papiere, die in englischer und arabischer Sprache ausgestellt waren, in Händen hielt. Beim Abschied von Abu Bakr spürte ich, ich hatte einen Freund gewonnen.

    Die Berliner Mauer

    E inen Tag nach meiner Ankunft in München, am 13. August 1961, wurde in Berlin die «Mauer» errichtet, die den Ostsektor von den Westsektoren trennt. Der Tag einer menschlichen und geschichtlichen Tragödie. Ich war von den überraschenden Ereignissen in Berlin wie gelähmt. Welche Folgen würde diese Trennung Deutscher von Deutschen für uns alle haben? Was würde sie für mich bedeuten?
      Meine japanischen Freunde konnte ich telefonisch nicht erreichen, ich schickte ihnen meinen Reisebericht. Erst nach zwei Wochen besuchte mich Michi. Was er erzählte, war traurig. Die Errichtung der Mauer hatte ihr Geschäft blockiert, sie hatten soviel Geld verloren, daß sie vorläufig alle Filmpläne zurückstellen mußten. Sie wußten nicht einmal, ob sie in Deutschland bleiben oder nach Japan zurückgehen würden. Noch nie hatte ich Michi in einer so depressiven Stimmung erlebt. Wir versuchten, uns gegenseitig zu trösten. In jedem Fall war unser Nil-Film in weite, weite Ferne gerückt — aber meine Sehnsucht nach Afrika war brennender denn je.
      Schon seit fünf Wochen lag meine Mutter mit Herzthrombose in
der Klinik von Dr. Westrich in der Widenmayerstraße. Ihr Zustand war ernst. Eines Tages, als ich von einem Besuch in der Klinik nach Hause kam, überfiel mich ein Schüttelfrost. Das Thermometer zeigte
    41 Grad. Ich glaubte, es müßte kaputt sein, und besorgte mir ein zweites. Auch das zeigte 41 Grad. Alle Krankenhäuser waren belegt, sogar das, in dem meine Mutter lag. Erst nach 24 Stunden wurde ein Bett in der Klinik in der Möhlstraße frei, in der aber nur Frauen lagen, die von ihrem Baby entbunden werden wollten. Es war ein Freitag, kein Arzt mehr anwesend, nur noch Schwestern waren da, die sich um mich bemühten. Am Montag kam endlich ein Arzt. Er untersuchte mich aber nicht. Ich beobachtete, wie er etwas zu den Schwestern sagte. Wenig später kamen zwei Männer, legten mich auf eine Tragbahre und trugen mich in einen Krankenwagen. Ich war zu schwach, um zu fragen, was man mit mir vorhatte. Erst als ich in das Schwabinger Krankenhaus eingeliefert wurde, erfuhr ich, der Arzt in der Möhlstraße hatte eine Tropenkrankheit vermutet, da ich kurz zuvor in Afrika gewesen war. So kam ich in eine Isolierabteilung. Die vermutete Diagnose erwies sich als ein Irrtum. Röntgenaufnahmen ergaben, daß ich eine handfeste Lungenentzündung hatte. Zwar mußte ich einige Wochen in der Isolierabteilung bleiben und durfte während dieser Zeit auch keinen Besuch empfangen, aber die Ärzte waren verständnisvoll und gaben mir

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