Memoiren 1945 - 1987
Zug waren. Am nächsten Tag kam der Bahnhofsvorsteher einer kleinen Station zu uns und fragte, ob wir für eine schwer an Malaria erkrankte Frau Medikamente hätten. Wir hatten genügend Resochin dabei. Dann kam die zweite Nacht. Es war schon ziemlich spät, der Zug hielt. Da hörte ich auf dem Gang eine Männerstimme meinen Namen rufen: «Leni, Leni.»
Ich bekam Angst — nun würde wohl alles widerrufen werden. Dann klopfte es an meiner Tür. Ich öffnete, draußen stand ein Offizier. Es war dunkel, sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, er näherte sich mir — ich war wie versteinert, dann begrüßte er mich — mit einer Umarmung. Es war General O. H. Osman, der mir vor Jahren, als ich das erste Mal in die Nuba-Berge fuhr, Briefe an die Gouverneure der verschiedenen sudanesischen Provinzen mit der Bitte um Unterstützung für mich mitgab. Schon damals war er mir durch sein Temperament und seine Gastfreundschaft aufgefallen. «Wie schön», sagte er, «daß Sie wieder im Sudan sind. Von Khartum wurde ich verständigt, daß Sie hier durchfahren. Ich möchte Sie gern zu einem Dinner einladen, bitte kommen Sie doch in mein Haus.» Erstaunt sah ich ihn an.
«Wir können doch den Zug nicht verlassen.»
«Keine Sorge», sagte er, «der Zug wird ohne Sie nicht weiterfahren.» Verwirrt stieg ich aus. Als wir das Haus des Generals betraten, zeigte uns ein Diener zwei elegante Badezimmer — eine tolle Sache. Seit der Dampferfahrt hatten wir nicht einmal mehr duschen können.
Bei dem Dinner, an dem auch der Chef der Polizei und andere Offiziere teilnahmen, erfuhr ich, daß uns in Khartum allerlei erwarten würde. Der General fragte, ob ich auch Abendkleider dabei hätte. Ich fiel aus allen Wolken. Auf Parties war ich nicht vorbereitet.
«Machen Sie sich nur recht schön, man erwartet Sie in Khartum. Sie werden dort wie eine Königin empfangen werden.» Langsam wurde es mir unheimlich.
Tatsächlich stand der Zug immer noch auf dem Bahnsteig, das war nur möglich, weil General O. H. Osman der höchste Offizier von Atbara war. Beim Abschied lud er uns für eine Woche auf der Rückreise zu sich ein. Benommen setzten wir unsere Reise fort. Was hatte das alles nur zu bedeuten?
In Khartum wurden wir schon von Weistroffers als deren Gäste erwartet. Über die Ehrungen, die mir zuteil werden sollten, waren sie schon informiert, wußten aber auch nichts Näheres.
Der erste Gala-Empfang fand in einem palastartigen Gebäude in Omdurman statt, für mich eine Tortur, weil ich mir eine starke Erkältung zugezogen hatte und nur mühsam mit meiner heiseren Stimme die vielen Fragen beantworten konnte.
Als sich der Gastgeber zu mir setzte und ich ihn fragte, was dieser festliche Empfang zu bedeuten habe, nachdem ich in Deutschland monatelang auf ein Visum warten mußte, lehnte er sich lächelnd in den Stuhl zurück und sagte: «Das ist eine seltsame Geschichte, die ich Ihnen erzählen muß, vielleicht bin ich daran nicht ganz unschuldig.» Gespannt schaute ich den Sudanesen an, der eine elegante schwarzseidene, mit einer Silberborte besetzte Galabiya trug. Er mußte ein Minister oder der Gouverneur sein. «Als ich», sagte er, «in New York im Fernsehen zufällig Ihren Olympiafilm sah, war ich begeistert. Dann las ich in ‹Newsweek› in einem Bericht, daß Sie eine Freundin des Sudans sind und eine Expedition vorbereiten. Anschließend war ich in London, und wieder ganz zufällig sah ich Ihren Olympiafilm zum zweiten Mal, er kam über BBC. Und nun kommt die Hauptsache» fuhr mein Gesprächspartner fort, «das BBC-Programm zeigte danach einen weiteren Film, der vor Ihrer Expedition in Ihrer Wohnung aufgenommen wurde. Sie erzählen darin von Ihren Plänen, Ihrem Film über die Nuba und Ihrer Liebe zu Afrika — das hat mich sehr fasziniert.»
Ich war so erschüttert, daß ich meine Hände vors Gesicht hielt, um meine Tränen zu verbergen. Nach einer Pause setzte der Sudanese hinzu: «Als ich dann in Bad Godesberg erfuhr, wie sehr Sie sich um die Visa bemüht haben und um das Permit für den Wagen, habe ich veranlaßt, daß Sie alles unverzüglich erhalten. Leider kam das Permit zu spät, Sie waren schon abgereist.»
In diesem Augenblick wußte ich, daß mein Gegenüber der Parlamentspräsident war, dem ich aus Kairo das Telegramm auf Verdacht geschickt hatte. Meine Umgebung vergessend, umarmte ich ihn. Meine Freude und meine Dankbarkeit waren grenzenlos. Er gab mir dann seine Karte:
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