Memoiren 1945 - 1987
«Dr. Mubarak Shaddad, Speaker of Parliament.»
Nun wagte ich auch nach den Gründen der monatelangen Verweigerung des Visums zu fragen. Da erfuhr ich, daß während meiner Filmexpedition in die Nuba-Berge 1964/65 ein sudanesischer Händler der Polizeistelle in Khartum gemeldet hatte, wir hätten durch Blitzlichtaufnahmen an Feinde der Sudanesen Lichtsignale gegeben. Jetzt erinnerte ich mich plötzlich wieder an den arabischen Händler, dem ich damals so geholfen hatte. Ihm hatte ich als «Feindin» des Sudans zu verdanken, daß ich in die Polizeiakte kam und meine VisaAnträge mehrmals zurückgewiesen wurden. Hätte Dr. Shaddad nicht meine Filme gesehen, hätte ich jahrelang kein sudanesisches Visum mehr erhalten.
Vorsichtig richtete ich nun an Dr. Shaddad Fragen zu den Eingeborenen im südlichen Sudan und war erfreut zu hören, daß er selbst an den ethnologischen Studien über diese Naturvölker interessiert war, seit er mehrere Jahre im Süden in der Provinz Equatoria verbracht hatte. Ich fragte ihn, ob zur Zeit eine Fahrt in den Süden möglich sei.
«Warum nicht? Möchten Sie gern den Süden sehen?» fragte er unbefangen. Überrascht sagte ich: «Ja — natürlich, aber es soll dort noch Unruhen geben?»
«Die Unruhen sind schon seit längerem so gut wie erstickt, es ist keine Gefahr mehr. Sie können sich mit eigenen Augen überzeugen, daß die über die Sudanesen verbreiteten Geschichten Lügen sind.»
«Glauben Sie, ich könnte die Dinka in Wau und die Latuka in Torit besuchen?»
«Sie können fahren, wohin Sie wollen, auch in Gebiete, die jahrelang wegen der Kampfhandlungen gesperrt waren.»
«Und würde man mir auch Fotografieren und Filmen erlauben?»
«Natürlich. Wir werden Ihnen geeignete Fahrzeuge zur Verfügung stellen, und Sie brauchen nur zu sagen, wohin Sie reisen möchten.» Meine Erregung unterdrückend, fragte ich: «Kann ich auch wieder in die Nuba-Berge fahren?»
«Warum denn nicht?»
Ich sprang vor Freude auf und sagte: «You are wonderful.»
Das veränderte Paradies
K urz vor Weihnachten war es soweit. Wir verließen Khartum. Ursula Weistroffer, die meine Nuba kennenlernen wollte, begleitete uns, allerdings nur für zwei Wochen. Wie immer meldeten wir uns zuerst in El Obeid bei dem dortigen Gouverneur. Er allein hatte zu entscheiden, ob in den Nuba-Bergen Aufnahmen gemacht werden durften.
Bangen Herzens stand ich vor Sayed Mohamed Abbas Faghir, dem Gouverneur von Kordofan. Staunend hörte ich ihn sagen: «Miss Leni, ich weiß, wieviel Ihnen an Ihren Nuba-Freunden liegt. Ich möchte, daß Sie dieses Mal in den Nuba-Bergen die schönste Zeit Ihres Lebens verbringen.» Und in der Tat, das waren nicht nur Worte, er ließ mir jede nur erdenkliche Hilfe zukommen.
Ich machte auf dem Markt von El Obeid noch Einkäufe, wobei ich schon an die Einrichtung meines Nuba-Hauses dachte, und erwarb zu Horsts Schrecken einen großen alten Holztisch, einen Schrank und einige Hocker, dazu Strohteppiche, Holzbretter, Bambusstangen und für die Nuba einen ganzen Sack voll Zucker. Um all das befördern zu können, mußten wir noch einen kleinen Lastwagen mieten.
Schon dreimal hatte ich die Weihnachtsfeiertage bei den Nuba verlebt, und deshalb wollte ich auch diesmal noch vor Heiligabend in Tadoro sein. Kadugli hatten wir schon hinter uns gelassen. Wir waren noch ungefähr fünfzig Kilometer von meinem Lagerplatz entfernt, da kamen bereits die ersten Nuba aus den Feldern zu unseren Wagen gelaufen. Ich kannte keinen von ihnen, aber als sie mich sahen, riefen sie, neben dem Wagen herlaufend, in einem fort: «Leni, Leni.»
Da stand er, mein Baum mit der riesigen Krone, das vierte Mal, daß ich ihn wiedersah. Und wie früher waren wir bald von den Nuba umringt und wurden stürmisch begrüßt mit Händeschütteln, Umarmungen, Lachen und immer wieder Lachen, als kehrte ein lang entbehrtes Familienmitglied zurück und würde nun von allen in die Arme geschlossen.
Als erstes erfuhr ich, Natu hatte schon ein Haus für mich gebaut, das er mir stolz zeigte. Ursula Weistroffer und Horst waren sprachlos.
Die Nuba trugen unsere Gepäckstücke zum Haus hinauf. Nicht alles konnte untergebracht werden, und so beschlossen sie, eigens dafür Strohhütten zu bauen. Sie machten wohlüberlegte Vorschläge und hatten sich schon die Besorgung des Materials ausgedacht. Das ganze Dorf beteiligte sich an diesem Rakoba-Bau, für das Holzstämme, Durastengel,
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