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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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der Dampfer erst in vier Tagen von Assuan abging, blieben wir einige Tage in Luxor, ich konnte mir einen großen Wunsch erfüllen und das «Tal der Könige» besuchen. Das Erlebnis war ungeheuer. Von den Fresken in den Grabkammern konnte ich mich nur schwer losreißen.
      Als wir im Hafen von Assuan unseren kleinen Dampfer sahen, wurde mir angst und bange. Das war kein Touristenschiff, es war ein Apfelsinendampfer, auf dem sich nur Araber und Schwarze als Passagiere eingeschifft hatten. Wo sollte da unser Wagen mit dem Anhänger Platz haben?
      Tatsächlich erwies sich die Verladung unseres Wagens als äußerst schwierig. Der Landrover war zu hoch, so daß der schwerbeladene Gepäckträger abmontiert werden mußte, zwölf starke Hafenarbeiter wurden dazu gebraucht. Aber Anhänger und Gepäckträger fanden keinen Platz mehr auf dem Schiff, es mußte ein Extra-Boot in Schlepptau genommen werden. Horst und ich saßen zwischen den Apfelsinenkisten an Deck. Zum ersten Mal verpflegten wir uns von unseren Vorräten, filterten Trinkwasser und aßen kiloweise die herrlich schmeckenden Orangen. Es war keine Nilfahrt, wie ich sie mir vorgestellt hatte, eher wie eine Fahrt auf einem großen See, da durch den Staudamm das Wasser weit über die Ufer getreten war.
      Am dritten Tag näherten wir uns Wadi Halfa, da überfiel mich Unruhe und Angst. Ich war nur von einem Gedanken beherrscht, kommen wir in den Sudan hinein oder nicht? Der Dampfer verlangsamte die Fahrt und näherte sich dem Ufer. Vor uns sahen wir nur Sand und baumlose Wüste. Wo früher einmal Wadi Halfa stand, gab es nur noch Wasser. Die ganze Stadt war von dem Damm überflutet worden. Nur die Spitze eines Kirchturms ragte noch heraus. Kein Mensch war an dem sandigen Ufer zu entdecken. Vor uns lag die sudanesische Grenze, an der sich das Schicksal unserer Expedition entscheiden würde. Meine Erregung stieg auf den Höhepunkt. Ich wagte mir nicht vorzustellen, was geschähe, wenn wir nicht reinkämen. Gebannt schaute ich auf das vor uns liegende Ufer. Die Leute an Deck machten sich fertig, das Schiff zu verlassen, räumten die Apfelsinen- und Tomatenkisten zusammen, und dann wurde der Dampfer, da es nur Sand und keinen Hafen gab, mit Stricken an Land gezogen und an einem dort liegenden alten Dampfer befestigt. Ich stand wie versteinert in einer Ecke und wagte kaum mehr einen Blick zum Land. In der Ferne, fast am Horizont, sah ich drei Autos, die große Sandfahnen hinter sich ließen. Das könnte die Polizei sein, dachte ich, und das Ende unserer Expedition. Mit Herzklopfen sah ich, wie einige sudanesische Beamte auf das Schiff kamen. Einer ging direkt auf mich zu — ich hielt den Atem an und schaute zu Boden. Dann hörte ich eine Stimme: «Are you Miss Riefenstahl?» Ich brachte keinen Ton heraus. Dann kam ein anderer Beamter in Uniform. In einem herzlichen Ton sagte er die unfaßbaren Worte: «You are welcome in our country.»
      Sollte das Hohn sein? Ich willkommen, die ich monatelang kein Visum erhielt, keine Genehmigung für den Wagen bekam — da konnte etwas nicht stimmen. Ich fürchtete, es würde wieder eine böse Überraschung geben. Ungläubig hörte ich, wie der Offizier mir eröffnete, sie seien aus Khartum von meiner Ankunft verständigt und gebeten worden, mir alle nur möglichen Annehmlichkeiten zu gewähren. Die erste bestand darin, daß ein Waggon und zwei Schlafwagenplätze für uns reserviert waren und wir noch am sel ben Abend nach Khartum reisen konnten. Horst und ich kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus.
      Keiner fragte nach dem Wagen-Permit. Beamte vom Zoll füllten unsere Formulare aus und, ohne einen Blick auf die Unmenge von Gepäck zu werfen, stempelten unsere Pässe. Monatelang hatte ich nur Hiobsbotschaften aus Khartum erhalten — wie war das alles zu erklären? Wir waren Gäste des District-Offiziers, einem Mann von bestrickendem Charme. Das Essen fand in einer offenen Rakoba statt, ein auf leichten Stämmen errichtetes strohgedecktes Dach, in allen arabischen Ländern ein herrlicher Schutz gegen Sonne. Die Speisen waren mit geflochtenen Strohdeckeln zugedeckt. Bevor die Sudanesen mit der Mahlzeit begannen, verneigten sie sich nach Osten, dann wurde nach arabischer Tradition, das heißt, ohne Messer und Gabel, mit bloßen Händen gegessen.
      Nach Eintritt der Dämmerung wurden wir an den Zug gebracht. Die Fahrzeit beträgt 36 Stunden, einen Tag und zwei Nächte. Es mußte schon bekannt geworden sein, daß wir in diesem

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