Memoiren 1945 - 1987
sie selbst durch die enorme Summe von 300 000 Englischen Pfund, die Mondadori ihm für die Abtretung seiner Verlagsrechte an den zwanzig Bänden der Enzyklopädie zahlte, nicht getilgt werden konnte. Die Folge davon: Die Amerikaner und Franzosen stellten den Bildband vorläufig um ein Jahr zurück. Ich war verzweifelt. Nun schien auch dieses Unternehmen gescheitert. Im letzten Augenblick gab es eine Wendung. Der deutsche Verleger wagte es, das Risiko allein zu übernehmen. Es war dem Mut von Robert Schäfer, dem damaligen Leiter des List-Verlags, und seinem Glauben an den Erfolg dieses Werks zu verdanken, daß es trotz der vielen Pannen doch noch fertiggestellt und sogar noch rechtzeitig vor Weihnachten erscheinen konnte. Der sensationelle Erfolg des Buchs nicht allein in Deutschland hat Robert Schäfer recht gegeben.
Meine Tauchprüfung
D ie Aufregungen dieses Jahres waren nicht spurlos an mir vorübergegangen. Sobald ich mich von meinen Verpflichtungen freimachen konnte, flog ich mit Horst wieder nach Kenia. Mein Ziel war der Indische Ozean. Die geheimnisvolle Unterwasserwelt, die ich zum ersten Mal vor zwei Jahren erlebt hatte, beschäftigte mich seitdem unausgesetzt. Sie lockte wie eine «Fata Morgana».
Wir wohnten im «Turtle Bay Hotel» nördlich von Mombasa, wo es eine deutsche Tauchschule gibt. Hier konnte ich täglich die Übungen, die die jungen Leute im Swimming-pool machten, beobachten. Sie waren nicht viel älter als zwanzig Jahre. Ich zerbrach mir den Kopf, wie ich zu einer Flasche kommen könnte. Das war nicht einfach. Welcher Tauchlehrer würde das Risiko übernehmen, eine «Schülerin» von 71 Jahren in seinem Kurs aufzunehmen? Aber mein Verlangen, mit einer Flasche zu tauchen, war so groß, daß ich mich zu einem Trick entschloß. Ich mogelte bei der Angabe des Geburtsjahres und meldete mich unter Helene Jacob an. Anstatt
1902 schrieb ich in das Antragsformular 1922. Trotz dieser Verjüngung schaute mich der Tauchlehrer skeptisch an. Sicher dachte er, die schafft es nie.
Es war eine Tauchschule des «Poseidon-Nemrod Clubs» aus Hamburg. Wir waren zehn Teilnehmer. Auch Horst hatte sich angemeldet. Ich beobachtete, daß es selbst den jungen Leuten schwerfiel, manche Übungen, besonders das Ab- und Anlegen der Taucherausrüstung in vier Meter Tiefe, auszuführen. Die Prüfung im 300Meter-Streckenschwimmen mit kompletter Tauchausrüstung fiel mir am schwersten. Die letzte Prüfung war nicht im Swimming-pool, sondern draußen im Meer in zehn Meter Tiefe abzulegen.
Unglücklicherweise war an diesem Tag das Meer sehr bewegt und dunkel, im Gegensatz zu dem glasklaren, ruhigen Wasser im Swimming-pool. Mit einem kleinen, heftig schaukelnden Boot fuhr der Tauchlehrer mit uns hinaus. Horst, der seine Prüfung schon vor zwei Tagen erfolgreich gemacht hatte, war mitgekommen. Beklommen schaute ich in die dunkle Tiefe, in die ich hineinspringen sollte.
Mein Tauchlehrer sagte: «Sie finden mich unten am Anker». Dann sprang er, ohne mir weitere Anweisungen zu geben, ins Wasser. Meine Angst unterdrückend, sprang ich ihm nach. Da merkte ich, daß ich meinen Bleigürtel verlor. Ich mußte wieder an die Oberfläche steigen. Horst sprang sofort ins Meer, das hier nur zehn Meter tief war, und holte den Gürtel herauf. Wegen der Dunkelheit konnte ich meinen Tauchlehrer nicht sehen, erkannte aber das Ankerseil, an dem ich langsam hinuntertauchte. Ich spürte eine starke Strömung und war erleichtert, als ich am Meeresgrund die Umrisse des auf mich wartenden Lehrers erkannte. Die Sicht betrug maximal zwei Meter. Der Lehrer ergriff meine Hand, und wir schwammen dicht über dem Sand zu einem Korallenriff, wo die Strömung schwächer war und wir uns an den Korallen festhalten konnten. Hier mußte ich alle im Swimmingpool erlernten Übungen wie Ablegen und Wiederanlegen von Bleigürtel, Flasche, Flossen und Maske wiederholen! Darauf folgte die Wechselatmung und als Abschluß der Notaufstieg, eine der wichtigsten Übungen, die man beherrschen muß, um in gefährlichen Situationen schwere Unfälle zu vermeiden. Ich war erleichtert und froh, als ich wieder ins Boot kletterte. Ich hatte es geschafft.
Am Abend, anläßlich der Verteilung des ersehnten «Certificates», wurde mein wahres Alter bekannt. Nach größtem Erstaunen gab es ein riesiges Hallo, und es wurde ausgiebig gefeiert. Von nun an nahm ich auch an Tauchgängen teil, die am Außenriff in größere Tiefen führten. Welche Erlebnisse! Ein
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