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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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mir diese unsinnige Idee ausreden wollte, um so beharrlicher widersprach ich ihm. Ich vertraute auf eine letzte Chance, in diesem Winkel der Welt doch noch etwas Besonderes zu entdecken. Jetzt war ich nur wenige hundert Kilometer von diesen Eingeborenen entfernt, später würden es Tausende sein, fraglich war es, ob ich überhaupt noch einmal auf eine Afrika-Expedition gehen würde.
      Wir besprachen diese Fahrt ins Ungewisse mit Mohamed. Er war nicht abgeneigt, sagte aber mit Blick auf unseren knappen Benzinvorrat, es wäre aussichtslos, in dieser Gegend Sprit zu bekommen. Auch hatten wir keinerlei Anhaltspunkte für die Reiseroute. Ich wußte nur, die «Südost-Nuba», so wurde dieser Stamm von Wissenschaftlern genannt, lebten an die 200 Kilometer östlich der Nuba-Berge. Jetzt erinnerte ich mich auch, den Namen Kau in Verbindung mit diesem Stamm gehört zu haben, konnte ihn aber auf keiner unserer Karten finden. Das einzige, was ich einmal auf irgendeinem Foto gesehen zu haben glaubte, war, daß Kau von felsigen Bergen umgeben war. Ich wollte den Versuch wagen.
      Wir rationierten unser Benzin bis auf eine Gallone genau und ließen einen Teil für die Rückfahrt von Tadoro nach Kadugli in unserem Lager zurück. Nach Mohameds Berechnungen durften wir uns in keinem Fall mehr als 250 Kilometer von Tadoro entfernen. Um im Notfall Hilfe herbeizuholen, beschlossen wir, Natu und Alipo, zwei gute Läufer, mitzunehmen. Keine Frage, das Risiko war groß, die Aussicht auf Erfolg gering. Und trotzdem — ich handelte wie unter einem Zwang.

    Die Fahrt nach Kau

    B ei glühender Hitze fuhren wir los. Ich saß neben Mohamed, Horst und die beiden Nuba rückwärts bei unserem Gepäck. Wir fuhren nach dem Kompaß strikt Richtung Osten. Um die Hitze zu ertragen, hatte ich mir nasse Tücher um Kopf und Oberkörper gewikkelt. Wenn wir über harte Bodenwellen und Schlaglöcher fuhren, krachte der alte Wagen in allen Fugen, bei jedem Stoß zitterte ich, er würde auseinanderbrechen. Bei Sonnenuntergang erreichten wir Talodi, den einzigen Ort, der uns noch bekannt war. Hier hofften wir, Informationen für die Weiterfahrt nach Kau zu erhalten. Niemand konnte uns Auskunft geben. Wir sollten nach Kologi fahren und dort wieder fragen.
      Am nächsten Morgen waren wir schon bei Sonnenaufgang unterwegs und erreichten nach einigen Stunden Kologi. Dort gab es einen kleinen Markt, auf dem wir Tomaten und Zwiebeln kauften, aber auch hier wußte niemand Bescheid. Auf gut Glück fuhren wir weiter bis Gedir, dem letzten im Osten gelegenen Ort, der auf unseren Karten eingezeichnet war. Dann kam Niemandsland bis zum Weißen Nil, ohne irgendwelche Angaben von Ortsnamen oder Pisten. Irgendwo in diesem Niemandsland mußten die Südost-Nuba leben.
      Auf der Fahrt durch wegloses Steppengelände begegneten wir keinem Menschen. Ein paarmal kamen wir an einzelnen Hütten vorbei. Sie waren verlassen. Unsere Hoffnung, auf die Nuba zu stoßen, schwand, je weiter wir nach Osten kamen. Einmal versperrte uns ein breites, ausgetrocknetes Bachbett die Weiterfahrt, und als wir endlich die Stelle fanden, an der wir durchkamen, gab es gleich danach eine Reifenpanne. Ich begann mir Vorwürfe zu machen. Meine Glieder schmerzten, und wir waren alle total erschöpft. Sollten wir nicht lieber umkehren? Wir beschlossen, soweit zu fahren, als unser Benzinvorrat es erlaubte. Am Horizont keine Berge, kein Fels, nur eine gelbe Ebene vor uns.
      Dann wechselte plötzlich der Charakter der Landschaft. Wir sahen immer mehr Sträucher und riesige uralte Bäume. Da glaubte ich, ganz in der Ferne zwischen den Baumkronen die nur schwach wahrzunehmende Silhouette einer Bergkette zu sehen, und als ich Horst und Mohamed aufgeregt die Richtung zeigte, war sie wieder verschwunden. Eine Morgana — oder nur mein starker Wunsch, der mir das vorgegaukelt hatte? Aber dann sahen auch die anderen die Bergkette am Horizont. Wir konnten es kaum noch glauben, die Berge kamen näher und näher, und dann waren sie tatsächlich zum Greifen nah.
      Wie groß war unsere Enttäuschung, als wir dort ein einzeln stehendes großes Steinhaus sahen, mit ein- bis zweihundert Kindern davor, mit weißen Galabias bekleidet, die uns beobachteten. «Eine Schule!» sagte Horst mit einem Ausdruck bitterer Ironie, «ich habe es dir gleich gesagt, es ist ein Blödsinn, diese Fahrt zu machen.»
      Auch ich war zutiefst enttäuscht. Wir standen unter einem schattigen Baum und hatten nur den einen Wunsch,

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