Memoiren 1945 - 1987
wohnen. Meine Stimmung war fast euphorisch, da ich keinen Zweifel hatte, endlich meine Filme zu erhalten.
Eines Tages läutete es anhaltend an der Wohnungstür. Da außer mir niemand zu Hause war, fragte ich vorsichtig: «Wer ist da?» — «Ich bin es, Peter.» Ein Schock! Niemand, außer der Familie Grupp, wußte, wo ich mich aufhielt — nicht einmal meine Mutter — Briefe hatte ich postlagernd nach München schicken lassen.
«Mach auf», rief Peter ungeduldig, «ich habe dir wichtige Nachrichten zu überbringen.»
Beklommen öffnete ich die Tür und ließ ihn eintreten. «Wie hast du mich gefunden?» fragte ich.
«Ich werde dich überall finden, wo du dich auch verstecken wirst, in der ganzen Welt.»
«Wer gab dir die Adresse?»
«Ganz einfach, das Einwohnermeldeamt.»
Sehr gehemmt fragte ich: «Was sind das für Nachrichten?»
«Hast du was zu trinken? Ich bin aus Villingen mit dem Motorrad unterwegs.»
«Soll ich dir einen Tee kochen?»
«Danke, Wasser genügt.»
«Bringst du mir schlechte oder gute Nachrichten?» fragte ich zögernd.
«Gute, glaube ich wenigstens. Dr. Kellner, dein Anwalt aus Innsbruck, hat geschrieben. Du sollst, sobald du kannst, zu ihm kommen. Die Franzosen wollen einen Teil deiner beschlagnahmten Sachen an die Tiroler Landesregierung ausliefern. Es muß ein österreichischer Treuhänder bestellt werden. Deshalb hält Dr. Kellner es für wichtig, daß du persönlich mit der zuständigen Dienststelle in Innsbruck sprichst.»
«Kommt auch das Filmmaterial nach Innsbruck?»
«Das weiß ich nicht», sagte Peter, «dies wird dir alles Dr. Kellner mitteilen. Wir können in drei bis vier Stunden mit dem Motorrad in Innsbruck sein, wenn dir der Rücksitz nicht zu anstrengend ist.»
Ich war sofort einverstanden.
Das Gespräch mit meinem Anwalt war sicherlich nützlich, aber keineswegs so wichtig, wie es nach Peters Mitteilung erschien. Ich erfuhr lediglich, daß möglicherweise das deutsche in Österreich beschlagnahmte Material an die Österreichische Regierung übergeben werden sollte, aber auch Dr. Kellner wußte noch keinen Zeitpunkt. Ich konnte ihm lediglich für diesen Zweck verschiedene Vollmachten geben. So war die Reise nicht ganz umsonst, besonders, weil Peter sich bereit erklärte, mich mit dem Motorrad nach Königsfeld zu bringen. Er sagte, dort wäre viel Post eingetroffen, und meine Mutter erwarte mich sehnsüchtig.
Am nächsten Tag war ich in Königsfeld. Über zwei Monate war ich weg gewesen, und meiner Mutter ging es gesundheitlich nicht gut. Der wichtigste Brief, den ich vorfand, kam von Monsieur Desmarais. Was er schrieb, war aufregend.
17. 6.1948
Meine Frau und ich reisen in wenigen Tagen nach den USA, da wir hier zu große Schwierigkeiten haben, aber seien Sie unbesorgt, wir werden «Tiefland» mit Ihnen in Amerika fertigstellen, und wir hof fen, daß Sie und Ihre Frau Mutter bald nachkommen können. Bei liegend eine Postkarte von dem Schiff, mit dem Sie reisen werden. Es ist die «Amerika», das schnellste und luxuriöseste Schiff, das in den USA gebaut wurde. Haben Sie etwas Geduld, und versuchen Sie alles, die Fälschung des Tagebuches festzustellen, davon hängt die Freigabe Ihres Eigentums ab. Sobald wir unser Domizil drü ben aufgeschlagen haben, werden wir Sie verständigen.
Das klang phantastisch. Ich wollte noch einen letzten Versuch machen, Trenker zu bewegen, die Wahrheit zu sagen. Deshalb entschloß ich mich, ihm noch einmal zu schreiben und an unsere frühere Freundschaft zu appellieren. Erst nach drei Wochen erhielt ich eine Antwort aus Rom:
z. Zt. Rom, den 1. 8.1948
Hotel Inghilterra
Via Rocca di Leone 14
Liebe Leni!
...Es tut mir leid, daß du glaubst, durch die Veröffentlichungen im Françe Soir kompromittiert zu sein. Ich hatte die Aufzeichnungen vor zwei Jahren dem amerikanischen Konsul in der Schweiz zur Prüfung vorlegen lassen, später sind dann diese Dokumente, so viel ich weiß, in Amerika freigegeben worden ... Mehr weiß ich nicht, da die Veröffentlichungen ohne mich vorher zu verständigen oder meine Einwilligung einzuholen gemacht worden sind. Da Du als Künstlerin unter der Regierung Hitlers sehr prominent warst, ist es verständlich, daß über Dich in positivem und negativem Sinne geschrieben wird. Kritik und Angriffe müssen Künstler sich nun einmal gefallen lassen ... Wie ich Dir schon einmal schrieb, habe ich persönlich längst jeglichen Groll
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