Memoiren 1945 - 1987
Rettung.
Bei unserer Ankunft in Khartum nach 53 Stunden ununterbrochener Fahrt waren wir buchstäblich am Ende unserer Kräfte und Horst zum ersten Mal ernstlich erkrankt. Mit eingefallenen Wangen und trüben Augen schlich er herum wie ein Greis. Zwei Tage behielt er keine Medizin bei sich, keine Mahlzeit, und konnte kaum noch die Glieder bewegen. Ich wollte den Flug stornieren, aber Horst überstand das Schlimmste. Er schaffte es sogar, unser gesamtes Expeditionsgepäck von über zwanzig Kisten durch den Zoll zu schleusen und als Frachtgut nach München aufzugeben. Danach erreichten wir noch in letzter Minute die Maschine nach Port Sudan.
Wir hatten nur ein Bedürfnis: zu schlafen. Nachdem wir die größte Erschöpfung überwunden hatten, erkundigten wir uns nach den Tauchmöglichkeiten. Ich kannte keinen Menschen in Port Sudan. Inge hatte mir geschrieben, eine Gruppe von Tauchern aus München mit Berti Rung als Leiter würde Tauchfahrten von hier aus unternehmen. Ihnen wollten wir uns anschließen.
Was für ein Gefühl, als wir auf dem alten Schiff saßen, das uns zum Wrack der «Umbria» bringen sollte — unserem ersten Tauchgang im Roten Meer. Wir waren ungefähr zehn bis zwölf Personen, die meisten von ihnen erfahrene Taucher. Ich fühlte mich noch etwas unsicher, denn anders als im Indischen Ozean, wo die Wassertemperatur fast 30 Grad betrug, wo wir im Badeanzug tauchten und deshalb wenig Blei benötigten, war das Rote Meer kälter. Die Taucher trugen Neoprenanzüge.
Gespannt hörte ich, was die Männer alles an Taucherlatein zum Besten gaben, und es wurde mir ungemütlich, daß fast nur über Haie gesprochen wurde. Die Männer wiesen den Kapitän an, Riffe aufzusuchen, an denen sich Haie befinden müßten. Einen Hai hatte ich im Indischen Ozean noch nicht erlebt, dort hatte ich große Muränen, Barakudas, gewaltige Barsche und einen riesigen Manta gesehen — alles nicht gefährliche Fische. Vor einer Begegnung mit einem Hai fürchtete ich mich. Besonders nachdem der Kapitän uns von einem grausigen Vorfall berichtete, der sich erst vor wenigen Jahren hier im Hafen von Port Sudan ereignet haben sollte. Die Pointe dieser abenteuerlichen Hai-Geschichte war, daß der Verunglückte, ein Schnorchler, nicht von einem Hai, sondern von einem riesengroßen Judenfisch verschlungen wurde.
In die einzige gefährliche Situation dieser Tauchreise brachten mich aber nicht Haie, sondern meine Unerfahrenheit. Ich machte einen großen Fehler, indem ich mir eine viel zu große Menge Blei umhängte. Nachdem wir an der «Umbria» geankert hatten, ließen wir erst alle anderen ins Wasser hinein und sprangen als letzte nach. Als ich die Augen wieder aufmachte, war es sehr dunkel. Ich konnte nur noch Horsts Flossen sehen, wie sie vor mir in der Tiefe verschwanden. Dann merkte ich, daß ich viel zu schnell sank. Als mein Tiefenmesser 20 Meter anzeigte, zog es mich immer stärker hinunter. Ich trug viel zuviel Blei am Körper. Um ein weiteres Absinken zu stoppen, ohne dabei den Bleigürtel abwerfen zu müssen, mußte ich mit äußerster Kraftanstrengung mit den Flossen schlagen, bis ich wieder nach oben kam.
Einige Stunden später wurde wieder an der «Umbria» getaucht, und dieses Mal nahm ich weniger als die Hälfte der vorherigen Bleimenge mit. Es ging wunderbar. Herrlich war es, am Wrack zu schwimmen und die bunten Korallenfische zu beobachten, die sich dieses versunkene Schiff als Behausung ausgewählt hatten.
Von nun an fühlte ich mich von Tauchgang zu Tauchgang sicherer. Jeden Tag wurde an einem anderen Riff getaucht — am schön
sten die Riffe von Sanganeb und Shab Roumi. Die Vielfalt der Korallen des Roten Meers ist einzigartig. Ich hatte mir eine kleine Konica-Kamera besorgt und machte mit ihr die ersten Unterwasserfotos. Mein leidenschaftlicher Wunsch wurde es, diese blühenden Träume unter Wasser im Film und Foto festzuhalten. Im Geiste plante ich schon meine nächste Tauchreise. Haie hatte ich nur in der Ferne vorbeigleiten gesehen.
In Khartum erwartete mich eine große Überraschung. Ahmed Abu Bakr, inzwischen ein enger Mitarbeiter von Präsident Nimeiri, überbrachte uns eine Einladung des Präsidenten, verbunden mit der Bitte, einige Aufnahmen von ihm zu machen. Nimeiri empfing uns in seinem Privathaus, und sein bescheidenes, sehr herzliches Wesen beeindruckte mich. Auch fiel uns auf, wie spartanisch einfach er lebte. In einem längeren Gespräch über die Schönheiten der
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